Ghostman: Thriller (German Edition)
Er sah aus wie ein Urlauber, nicht wie das Mitglied einer gefährlichen Drogengang. Ich packte ihn beim Kragen und riss dabei sein Hemd entzwei. Unter dem teuren Leder kamen Knast-Tattoos zum Vorschein, verblichene blau-schwarze Zeichen. Der Kerl war übersät von Banden-Symbolen, die er in Marienville oder Bayside oder sonst wo mit Blut bezahlt hatte. Auf seiner linken Schulter war ein schwarzes Hakenkreuz, nicht größer als ein Silberdollar. Daneben prangte ein blutendes Herz, aus dem vier Tropfen quollen. Ich gab den Versuch auf, ihn zu bewegen, und ließ ihn in den Sand fallen.
Einen Moment lang war es still zwischen uns. Möwengeschrei wehte im Wind vom Meer herein. Der Mann, den der Wolf geschickt hatte, weinte blutige Tränen. Sie sickerten durch die Augenbraue über die Wange zum Hals und tränkten sein Hemd. Er spuckte einen Zahn und dann einen blutigen Schleimklumpen aus.
» Weißt du«, sagte ich, » ich liebe solche Augenblicke.«
Er schloss die Augen. Ich hockte mich neben ihn, damit wir miteinander reden konnten. Ich schloss die Hand um seine Wangen und drehte sein Gesicht zu mir herum. Vielleicht weinte er wirklich, aber es war schwer zu sagen. Da war zu viel Blut.
» Hörst du mich?«, fragte ich. » Ich liebe solche Augenblicke. Es steht dir ins Gesicht geschrieben. Du siehst mich mit einem Flehen an, wie du es wahrscheinlich in deinem ganzen Leben noch nie getan hast. Du bist ganz und gar auf mich fixiert, weil du Angst hast, ich töte dich. Ist dir klar, wie faszinierend das für mich ist? Du sorgst dich nicht um deine Kreditkartenabrechnung oder deine Hypothek oder um die Zigaretten, die noch in der Packung sind. Nein. Im Moment bist du mit jede r Fa ser deines Wesens auf mich und diese Pistole konzentriert.«
Ich klopfte mit dem Schalldämpfer auf seine Brust. Der Mann atmete wie eine Maschine. Er hyperventilierte. Sein unverletztes Auge war so weit aufgerissen, wie es ging, und wie ein Laser auf mein Gesicht gerichtet. Ich glaube, er hätte den Blick nicht von mir wenden können, wenn er es versucht hätte.
Ich schaute zu dem Autowrack hinüber und dann auf das Meer hinaus. Die Luft roch nach Wasser und Benzin. Genussvoll atmete ich sie durch die Nase ein. Sie erinnerte mich an etwas, aber ich wusste nicht genau, woran. Ich atmete aus und wandte mich wieder dem Lakai des Wolfs zu.
» Ich habe nur eine Frage«, sagte ich. » Ich glaube, du weißt schon, welche.«
» Routenkontrollgerät«, sagte er, und das Blut floss zwischen seinen Zähnen hindurch. Er wollte die Hand in eine seiner Taschen schieben. Als ich sah, dass er nicht vorhatte, noch eine Waffe zu ziehen, ließ ich ihn gewähren. Er holte ein einfaches schwarzes Handy heraus, das eingeschaltet war. Auf dem Display war eine Landkarte dargestellt, und ein blauer Pfeil deutete auf unsere Position.
» Woher kommt das Signal?«
» Von Ihnen«, sagte er.
» Ist es eins meiner Telefone?«
» Die haben Ihnen eine Wanze angehängt.«
Ich nahm ihm das Telefon aus der Hand und bewegte es hin und her. Die Position des blauen Pfeils veränderte sich nicht. Sicher war es eine Art GPS -Peilung, und das bedeutete, das Signal konnte von überallher kommen. Der Wolf konnte den Sender in meine Kleidung oder in eins meiner Handys geschmuggelt haben. Ich hatte schon öfter GPS -Tracker von der Größe eines Knopfes gesehen. Professionelle Geräte brauchen nicht mal eine besondere Stromversorgung. Sie laufen wochenlang mit einer Hörgerätebatterie und können eine Position bis zur Grundfläche eines großen Sessels genau lokalisieren. Ich seufzte und richtete die Pistole wieder auf die Brust des Mannes.
» Ich werde dich nicht umbringen«, sagte ich. » Aber damit kein Missverständnis aufkommt: Ich habe nicht viel dagegen, einen wie dich umzulegen. Das habe ich schon öfter getan. Dass du hier lebend rauskommst, kannst du als meinen Dank betrachten. Weißt du, als ich gestern hier gelandet bin, hatte ich Angst, dieser Job würde zu einfach werden. Bevor ich aus dem Flugzeug stieg, hatte ich befürchtet, ich würde das geraubte Geld sofort finden, ohne dabei ein bisschen Spaß zu haben. Da ist es gut, dass ihr aufgekreuzt seid. Ohne dich speziell hätte ich nie die Gelegenheit gehabt, einen Augenblick wie diesen zu genießen. Alle Farben sind jetzt ein bisschen leuchtender. Die Luft schmeckt ein bisschen besser. Sogar der Sand fühlt sich gut an. Es gibt keine Droge, die einem ein solches Gefühl verschafft.«
Ich drückte ihm mit der einen
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