Ghostman: Thriller (German Edition)
Maßnahmen, wenn man jemanden neutralisieren will. Können Sie sich vorstellen, wie viele Meter Strick wir brauchen würden, um dreißig Personen zu fesseln– oder auch nur diese drei? Ich weiß es nicht. Hsiu jedenfalls hatte eine elegante Lösung: eine Impfpistole. Eine Impfpistole ist ein medizinisches Gerät, das aussieht wie eine Pistole, aber anstelle von Kugeln schießt es ein Arzneimittel mit starkem Hochdruck durch die Haut eines Patienten, ohne sie zu verletzen. Keine Nadel, kein Blut. Das Mittel wird durch die Dermis in den Blutkreislauf gepresst. Kein Kanülenwechsel, kein AIDS -Risiko, keine Notwendigkeit, das Gerät zwischendurch zu desinfizieren. Mit der Impfpistole ist alles ganz einfach.
Hsiu lief zu dem Fahrer, den Vincent in Schach hielt, und drückte ihm die Mündung ihrer Impfpistole unter das Kinn. Das Gerät gab ein leises pneumatisches Zischen von sich, und zwei Sekunden später wirkte der Tranquilizer. Der Fahrer erschlaffte wie nach einem Kopfschuss. Gerade noch hellwach, und im nächsten Augenblick war er bewusstlos. Sein Körper hing baumelnd aus der Tür des gepanzerten Fahrzeugs.
Hsiu warf Mancini die Impfpistole zu, und der drückte sie dem Kerl mit der zerschmetterten Nase an die Stirn und verpasste ihm eine Dosis mitten zwischen die Augen. Der Mann wackelte eine Sekunde lang und klappte dann zusammen. Mancini warf das Gerät zu mir herüber, als ich den dritten Mann am Kragen packte und gegen die Seitenwand seines Trucks stieß. Mit der freien Hand zog ich ihm die Pistole aus dem Gürtel und warf sie weg.
Das alles geschah in den ersten fünfzehn Sekunden.
Ich drückte die Mündung der Impfpistole in die weiche Stelle an der Seite seiner Kehle, dicht neben der Halsschlagader, und sagte: » Ich bin nicht hier, um dich zu verletzen, aber ich werde es tun, wenn es sein muss. Ich will nur das Geld der Bank, und das ist versichert. Dir passiert nichts, wenn du tust, was ich sage, kapiert?«
Er starrte mich ausdruckslos an.
» Wie heißt der Bankmanager, der heute Dienst hat?«, fragte ich ihn.
Er fing an, auf Malaiisch zu plappern, das ich nicht verstand. Seine Stimme hatte einen scharfen Quäkton, sodass er sich anhörte wie ein Seehund. Ich schlug seinen Hinterkopf hart gegen die Wand des Trucks, er verzerrte das Gesicht, und seine Lider flatterten.
» Ich weiß, dass du Englisch sprichst«, sagte ich.
» Er sagt, er will nicht sterben«, erzählte Hsiu.
» Dann soll er sich entsprechend benehmen«, sagte ich. » Wie heißt der Bankmanager? Los.«
Der junge Mann wurde schlaff in meinen Händen. Er war gelähmt vor Angst. Aber er sah nicht aus wie ein Mann, der glaubte, er müsse sterben. Er sah eher aus wie einer, der nicht genau begriff, was mit ihm passierte. Er schaute die Impfpistole in meiner Hand an wie ein Ding in einem Traum.
Ich verschob die Mündung von seinem Hals zu der Stelle zwischen seinen Augenbrauen. » Letzte Chance«, sagte ich.
» Er heißt Deng Onpang«, stammelte er.
» Und welche Farbe hat die Codekarte heute?«
» Rot.«
» Danke.«
Ich drückte ab, und mit einem weiteren leisen pneumatischen Zischen schoss ich ihm eine Ladung Betäubungsmittel zwischen die Augen. Der junge Mann stolperte vorwärts und berührte die Stelle an der Stirn. Überrascht stellte er fest, dass er nicht tot war. Eine Sekunde später wurden seine Knie weich, und er sackte zusammen. Ich fing ihn auf, damit er nicht mit dem Kopf aufschlug, und ließ ihn zu Boden sinken. Als er dort ankam, war er bewusstlos.
Rasch zog ich die Zugangskarten aus seinem Gürtel und suchte die rote heraus. Wir waren nicht nur im gleichen Alter, sondern auch gleich groß und gleich schwer. Ich riss ihm die Baseballkappe mit dem Firmenlogo vom Kopf und setzte sie auf. In meiner Uniform hatte ich jetzt große Ähnlichkeit mit ihm. Die Maske war einfach gewesen. Das Wichtigste waren die Augen. Mit Klebstreifen und Eyeliner hatte ich ihre Form modelliert, und der Mützenschirm überschattete meine Züge. Ein Bräunungsspray hatte dafür gesorgt, dass ich fast die gleiche Gesichtsfarbe hatte wie er, außerdem hatte ich mir das Haar schwarz gefärbt. Man musste schon sehr aufmerksam hinschauen, um den Unterschied zu erkennen. Jetzt musste ich nur noch den Manager am anderen Ende der Videoübertragungsanlage täuschen.
Dies war mein Augenblick. Damit die Aufzugstür sich öffnete, musste ich Deng Onpang überzeugen, dass ich der Security-Mitarbeiter war, den er seit fast drei Jahren jeden Tag gesehen
Weitere Kostenlose Bücher