Ghosts 01 - Ghosthunter
meine Mutter jahrelang belogen! Und Sie sagen mir, ich soll einfach nach Hause fahren? Jetzt, wo ich ihn endlich gefunden habe? Meinen richtigen Vater?“ Ian lachte bitter. „Nach allem, was passiert ist, reden Sie mit mir wie mit einem Schuljungen?“ Kopfschüttelnd zeigte er auf seine Schrammen. „Ich habe mein Leben riskiert, um mehr über meinen Vater zu erfahren. Da werde ich mich ganz bestimmt nicht von seiner Geliebten abwimmeln lassen.“
„Beruhige dich bitte, Ian!“
Selbst Bpm warf seinem Freund einen überraschten Blick zu. In Ians Augen blitzte Zorn auf. Er verschränkte die Arme vor der Brust und starrte Amy Stratton so lange an, bis die Ärztin verlegen den Blick senkte und nach ihrem Eiskaffee griff.
„Sie haben auf mich gewartet. Also! Hier bin ich.“
Eine angespannte Stille entstand. Bpm rutschte nervös auf seinem Stuhl hin und her, dann ergriff er das Wort: „Wir wissen, dass in Bentwater Anfang der 80er-Jahre geheime Experimente durchgeführt wurden. Es ging um einen Victor-Bomber und Tarntechnologie. Und wir glauben, dass Ians Vater keinen Selbstmord begangen hat.“
Dr. Stratton zündete sich eine Zigarette an, dann gab sie sich einen Ruck: „Das habe ich damals auch als Erstes vermutet. Mein Gott, habe ich gedacht: Jetzt haben seine Feuerengel ihn geholt.“ Sie versuchte ein Lächeln. „Dein Vater, Ian, arbeitete dort als Physiker. Wir lernten uns kennen, weil ihn schreckliche Albträume quälten. Ich habe versucht, ihn zu therapieren, aber er litt immer massiver unter seiner Schizophrenie. Er hörte Stimmen, hatte Zönästhesien und erst akustische, dann optische Halluzinationen.“
Es ist erblich.
„Zönästhesien?“ Bpm beugte sich vor, um aus dem Parka zu schlüpfen, doch seine Wunde schmerzte zu sehr. „Darf ich?“, fragte er und deutete auf ein leeres Wasserglas. Dr. Stratton nickte und kippte ihm die Eiswürfel auf die Hand, damit er sie sich gegen den Verband pressen konnte. Besorgt betrachtete die Ärztin die Blessuren der Jungen. „Wir sollten in meine Praxis fahren“, sagte sie und trank den letzten Schluck Kaffee aus. „Zönästhesie heißt, dass er eine krankhafte Wahrnehmung seines Körpers hatte. Er dachte, es sei etwas in ihm. Er meinte, es wachse etwas in ihm heran.“ Mit einem Mal sah sie Ian mit traurigen Augen an. „Ian, es tut mir leid. Dein Vater war schwer krank.“
Flüchtig zählte sie ihr Geld ab und legte es auf die Untertasse. Ihr Blick glitt kurz rüber zur Cam, auf der noch immer die Ruderer ihre Bahnen zogen.
„In den ersten zwei Jahren durchlief er alle Stadien der Schizophrenie“, erklärte sie, „und ich konnte nur zusehen. Er wollte nicht darüber reden, was in Hangar B4 mit dem Bomber geschah oder woran sie forschten. Mehrfach habe ich sein vorzeitiges Ausscheiden bei der US-Army beantragt, aber das Militär hat sich geweigert, ihn vom Dienst abzuziehen. Die wollten ihn nicht mal versetzen.“
„Und irgendwann passierte mehr bei ihren Treffen“, warf Ian forsch ein und erhob sich.
„Ich habe gegen alle Gesetze der Lehrbücher verstoßen“, erwiderte sie, „aber aus den Therapiestunden wurde Freundschaft und später Liebe. Ja, Ian, du hast recht. Das da –“, sie deutete auf die Krankenakte, „war nur noch pro forma. Dein Vater verschloss sich sämtlichen Heilansätzen. Er lebte in seiner eigenen Welt und war nicht davon abzubringen, dass seine Feuerengel existierten. Manchmal lag er die Nacht über wach und weinte, sagte, dass er schuld sei und sie seinetwegen gekommen seien.“
Wesley lag also richtig mit seiner These. Sie hatten die Wesen mit dem Experiment angelockt. Sein Vater hatte sie angelockt und war sie nicht mehr losgeworden.
Während Bpm sich die Akte unter den Arm klemmte und sich mühsam aufrichtete, fragte Ian leise: „Waren Sie beide bis zu seinem Tod …?“ Er sprach die Frage nicht aus.
Hatte Olivia seinen Vater überhaupt gekannt? Oder hatte er sie nur belogen und betrogen?
Bei der Vorstellung, dass er seine Mutter so lange hintergangen hatte, wurde Ian übel.
„Nein. Wir trennten uns bereits, bevor die Basis geschlossen wurde. Und danach gingen wir unsere eigenen Wege. Ich habe meine Praxis in Cambridge eröffnet und ihn nur ein einziges Mal wiedergesehen.“ Sie hängte sich ihre kleine Korbtasche über den Arm und wartete, bis die Jungen ihre Rucksäcke geschultert hatten.
Gemeinsam schlenderten sie die Straße entlang. „Im Januar 1994 kam er mich auf einmal besuchen. Er sah
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