Ghostwalker 04. Fluch der Wahrheit
von ihm aus der Gasse führen und stellte überrascht fest, dass die Sonne noch nicht ganz untergegangen war. Während des Kampfes hatte sie jedes Zeitgefühl verloren, wahrscheinlich waren es nur wenige Minuten gewesen, die sie im Zwielicht der Gasse verbracht hatte.
Erleichtert atmete sie die frische Luft ein und spürte, wie das Zittern einsetzte. Sie versuchte, es vor ihrem Retter zu verbergen, aber er schien es zu bemerken und führte sie rasch zu einem großen Jeep. Er öffnete die Beifahrertür und schob sie sanft auf den Sitz. Caitlin wollte sich gerade hineinsinken lassen, als ihr ein Gedanke kam. »Was ist, wenn die … Kerle noch irgendwo in der Nähe sind?«
Seine Lippen pressten sich zusammen, Wut flammte in seinen Augen auf. »Sie sind weg. Ein Lieferwagen stand direkt vor dem hinteren Ausgang der Gasse, ich habe ihn nicht mehr erreicht. Aber ich habe mir das Kennzeichen gemerkt, falls Sie es bei der Polizei überprüfen lassen wollen.«
Bildete sie sich das nur ein, oder hatte er gezögert, bevor er die Polizei erwähnte? »Danke, ich werde es mir gleich notieren. Kann ich Sie als Zeugen nennen?«
Wieder das Zögern, diesmal deutlicher. Er rieb über seinen Nacken, bevor er wieder zu ihr hinuntersah. »Mir wäre es lieber, Sie würden einfach nur sagen, dass Ihnen ein unbekannter Mann geholfen hat, der gleich darauf verschwunden ist.«
Caitlin legte den Kopf schräg. Zu gern würde sie fragen, warum er nichts mit der Polizei zu tun haben wollte, aber sie entschied sich dagegen. »Natürlich. Es tut mir leid, dass ich Sie da mit hineingezogen habe.«
»Was wollten Sie überhaupt in der Gasse?«
Caitlin spürte, wie ihr die Röte ins Gesicht schoss. »Uh.« Vorsichtig sah sie sich um, ob ihnen auch niemand zuhörte. Die Miene des Fremden war seltsam intensiv, als er auf ihre Antwort wartete, und sie kam sich noch lächerlicher vor. »Ich habe jemandem etwas zu essen gebracht.«
Der Mann richtete sich auf, Überraschung auf seinem Gesicht. »Wem?«
Caitlin verschränkte ihre Finger miteinander und blickte darauf nieder. »Vor einigen Monaten habe ich in der Gasse eine Katze entdeckt. Sie sah so abgemagert aus, dass ich einfach nicht vorbeigehen konnte.«
Ein Laut drang aus seiner Kehle, den sie bei jedem anderen für Lachen gehalten hätte. »Eine Katze.«
»Ja. Hätte ich sie verhungern lassen sollen?« Toll, jetzt klang sie auch noch verteidigend. »Ich weiß, dass es nicht richtig ist, die Katze hier in der Nähe des Supermarkts zu füttern. Aber ich konnte einfach nicht mit ansehen, wie sie leidet.«
»Warum haben Sie sie nicht eingefangen und mit nach Hause genommen?«
Caitlin schnitt eine Grimasse. »Als wenn eine Katze einfach so mitkommen würde. Außerdem hätte ich sie sowieso nicht behalten können, ich habe eine Katzenallergie.«
Ihr Retter sah aus, als würde er an etwas ersticken, brachte sich aber schnell wieder unter Kontrolle. »Ich hoffe, Sie denken nicht daran, noch einmal in diese Gasse zu gehen, wenn Sie das nächste Mal einkaufen.«
»Nein, bestimmt nicht.«
»Gut.« Damit richtete er sich auf. »Kann ich jemanden für Sie anrufen, der Sie nach Hause bringt? Ihren Mann oder Freund, eine Freundin, Familie?«
»Es … es gibt niemanden.« Verdammt, warum kamen ihr bei diesen Worten die Tränen? Es war ihre Entscheidung gewesen, hierher zu ziehen, und sie mochte die Einsamkeit.
»Okay, dann bringe ich Sie nach Hause.« Er formulierte es nicht als Frage. Bevor sie antworten konnte, hatte er schon ihre Beine in den Jeep geschoben.
»Aber … «
»Nichts aber, Sie können in diesem Zustand nicht selbst fahren.«
»Meine Einkäufe! Wenn ich sie im Wagen lasse, verderben sie, und ich muss verhungern, weil ich nichts mehr im Haus habe.«
Er blickte sie durchdringend an und nickte dann. »Welches ist Ihr Wagen?«
Caitlin sah sich um. »Der kleine rote Toyota drei Reihen weiter.« Sie nahm den Schlüssel aus ihrer Jackentasche und hielt ihn ihrem Retter hin. »Danke.« Vermutlich sollte sie darüber nachdenken, wie sie später ihren Wagen zurückbekam, wenn sie sich jetzt fahren ließ, aber dazu war sie nicht in der Lage. Zu tief saß der Schock über den Überfall.
Der Fremde nahm den Schlüssel entgegen und ging mit langen Schritten auf ihr Auto zu. Einen kurzen Moment lang befürchtete sie, einen Fehler begangen zu haben, doch dann brachte sie sich zur Räson. Ein Mann wie er würde nicht ihr winziges Auto klauen, in das er im Prinzip nur zusammengefaltet passte.
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