Ghouls in Manhattan
mehr fort. Er konnte hochklettern.
Ganz in der Nähe von Xorron. Der Dämon mit der silbrig schimmernden Haut schaute nur zu. Auch er spürte jetzt eine gewisse Unruhe. Es fiel ihm immer schwerer, sich an die Anordnungen von Solo Morasso zu halten. Deutlich spürte er den Trieb, der ihn voranpeitschen wollte.
Den Menschen und deren Blut entgegen!
Er brauchte die Opfer, sie waren für ihn Nektar.
Schon längst hätte Dr. Tod kommen müssen. Er war nicht erschienen und hatte die Ghouls im Stich gelassen. Und die schleimigen Wesen blieben nicht mehr sitzen. Wie auch die Zombies wurden sie von einem unheimlichen Drang gepackt sich Opfer zu suchen.
Eine fette Ratte huschte vorbei.
Der Zombie, der im Wasser gelegen hatte, griff zu. Es war ein Zufallstreffer, daß er das Tier zu packen kriegte. Von der Faust umschlossen, fiepte es ängstlich, nur der Kopf schaute hervor. Aus blicklosen Augen sahen die anderen Zombies zu, was ihr ›Kollege‹ mit der Ratte anstellte.
Zuerst brach er ihr das Genick, und dann biß er in das Tier hinein. Ein Ghoul wollte es ihn entreißen, doch der Untote hieb seine Klaue in das schleimige Gesicht des widerlichen Dämons und schleuderte ihn in den Kanal.
Danach störte ihn niemand mehr…
Die anderen drei Zombies waren weitergegangen. Das Wesen mit den Teufelshörnern stand ebenfalls auf. Seine Augen glühten rot. Eine lange Zunge huschte aus dem Mund, und es blieb in einer geduckten Haltung stehen.
Da war etwas.
Ein Geräusch!
Das Wesen hatte es genau gehört, drehte sich um und machte Xorron darauf aufmerksam.
Der stand auf. Er lauschte, und plötzlich verzog sich sein Gesicht.
Gleichzeitig nahm das silbrige Schimmern zu. Da war etwas.
Und ganz in der Nähe.
Menschen!
***
Drei Jahre war Jesus Imanuel Gonzales arbeitslos gewesen, und er hatte nicht gewußt, wie er seine vierköpfige Familie über die Runden bringen sollte, bis ein Sozialarbeiter ihm eine Stelle verschaffte. Als Arbeiter einer Reinigungsfirma, die auch die Abwässerkloaken von Manhattan kontrollierte.
Gonzales hatte sofort zugegriffen. Und er erinnerte sich auch an das Sprichwort, daß Geld bekanntlich nicht stinkt. So war er mit Feuereifer an die Arbeit gegangen.
Gonzales galt bei seinen Kollegen als guter Mann. Er machte nicht blau, hatte immer einen Scherz auf den Lippen und stieg auch in die engsten und dreckigsten Schächte ein. Meist waren sie ja zu zweit. Ihm zur Seite stand ein Mann namens Samuel Renkov, ein bulgarischer Jude, der aus seiner Heimat geflohen war. Ihn nannten die Kollegen nur Anatevka, weil er fast bei jeder Arbeit Songs aus dem bekannten Musical schmetterte.
Und das Lied »Wenn ich einmal reich wär« war zu seinem persönlichen Hit geworden. Leider reichte das Geld gerade, um die Familie über die Runden zu bringen und sich hin und wieder einen Wodka leisten zu können.
Gonzales und Renkov waren im Laufe der Zeit zu einem Gespann zusammengewachsen, und sie wurden auch immer gemeinsam losgeschickt. Zudem arbeiteten sie in Schicht. Einmal morgens, mittags und nachts, denn zu tun gab es immer etwas. Wenn der Vorarbeiter sie losschickte, dann sprach er immer von den beiden Kloaken-Direktoren.
Auch an diesem Abend — die Schicht hatte kaum begonnen — wurden Jesus Imanuel Gonzales und Samuel Renkov wieder zum Vorarbeiter geholt. Der hatte eine neue Aufgabe für die beiden. »Da ist irgendein Schieber defekt«, erklärte er. »Steigt mal in die Unterwelt und schaut nach, was es da gibt. Aber nehmt Werkzeug mit. Ihr könnt ihn direkt reparieren.«
»Jawohl, Sir«, antwortete Renkov in seinem harten Dialekt. »Und wo kann es sein?«
»Südlich vom Columbus Circle. Ihr werdet ihn schon finden.«
Der Vorarbeiter wischte sich den Schweiß von der Stirn. »Seid froh über die Arbeit, hier oben ist es heißer.«
Gonzales grinste schief, wobei sein Schnäuzer anfing zu wackeln. »Aber da unten stinkt es mehr.«
»Das macht dir doch nichts aus. Du frißt soviel Knoblauch, daß du die Fäkalien nicht riechst.«
»Knoblauch ist gesund, Sir«, sagte Renkov. »Sollten Sie auch mal essen, dann hätten Sie weniger Magengeschwüre.«
»Haut ab!«
Die beiden setzten ihre gelben Helme auf und verschwanden.
Die Werkzeugtaschen standen im Lager. Sie hängten sie sich über die Schulter und nahmen den großen Einstieg, um in die Unterwelt von Manhattan zu klettern.
An den Helmen waren Lampen befestigt, die sie einschalteten, sobald ihre Füße auf der Leiter Tritt gefaßt hatten. Nacheinander
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