Gib dich hin (German Edition)
ihm mehr Niveau zugetraut.
Sie ließ sich mit ihrer Teetasse in den Schaukelstuhl fallen und bemerkte plötzlich, dass die Balkontür offen stand. Merkwürdig, sie war sich ganz sicher, dass sie die verriegelt hatte, nachdem sie heute Morgen aufgebrochen war. Nun blies der kühle Winterwind herein, bauschte die Vorhänge und trieb sogar ein paar Schneeflocken ins Innere, die sich sacht auf dem Teppich niederließen. Aber kaum, dass sie ihn berührten, schmolzen sie schon.
Sie musste zweimal hinsehen, ehe sie die dunkle Gestalt auf dem Balkon erkannte. Die langen Haare wehten im Wind, der schwarze Mantel lag eng um den Körper.
»Mandrake?«, flüsterte sie und kam näher. Die winterliche Kälte kroch ihr die Füße hinauf, lähmte ihre Beinmuskeln. Irgendetwas stimmte nicht, das spürte sie instinktiv, und noch ehe sie die Balkontür überhaupt erreicht hatte, hielt sie inne, weil das Gefühl von Bedrohung immer stärker wurde.
Der Mann drehte sich zu ihr um, und sie blickte in ein altes, faltiges Gesicht mit tiefliegenden Augen und aufgesprungenen Lippen.
»Wer sind Sie?«, fragte sie erschrocken und wich zurück. Der Fremde folgte ihr. Das eigenartige Glühen in seinen Augen aktivierte ihren Fluchtreflex. Sie wollte rennen, aber er bewegte sich schneller als der Wind und stand schon vor ihr, hielt sie an den Schultern fest.
»Wie schön du bist«, flüsterte der Mann mit zitternder Stimme. Sein Zeigefinger strich ihr über die Wange. Cynthia hielt vor Angst den Atem an. Er würde ihr doch nichts antun?
»Sie haben recht. Du leuchtest wie ein Stern.«
Wovon sprach dieser Kerl?
»Hab keine Angst.« Er versuchte sie in Richtung Bett zu drängen, aber Cynthia hielt dagegen, sträubte sich mit Händen und Füßen, so dass er beinahe die Kontrolle über sie und die Situation verlor. Sie schrie, so laut sie nur konnte. Irgendwer musste sie hören und ihr zu Hilfe eilen. Wütend stieß er sie zu Boden. Sie konnte sich nicht abfangen und knallte mit dem Rücken auf. Ein höllischer Schmerz breitete sich entlang ihrer Wirbelsäule aus. Der Mann stand nun über ihr. Er wirkte riesig, seine Schultern breit, und in seinen Augen funkelte ein dämonisches Feuer.
»Du wirst ihn mir jetzt geben.«
»Wovon reden Sie?« Sie war den Tränen nahe. Der Kerl musste ein Irrer sein. Oder ein Dämon. Vielleicht sogar beides!
Er ging in die Hocke und packte ihr Kinn, drehte ihren Kopf in seine Richtung und zwang sie, ihn anzusehen. »Gib mir einen Kuss.«
Er warf sich auf sie, drückte sie mit seinem Gewicht zu Boden. Cynthia stemmte sich mit aller Kraft gegen ihn, und es gelang ihr sogar, ihn ein Stück weit von sich zu drücken.
»Runter!«, fuhr sie ihn an. Aber das schien ihn nur noch mehr anzuheizen. Seine Hände drangen in eine Region vor, wo sie nichts zu suchen hatten. Cynthia schrie, schlug und trat um sich, aber der Fremde war stärker als sie. Er drückte sie erneut zu Boden, legte sich auf sie und steckte ihr seine Zunge in den Mund, und zwar so tief, dass es Brechreiz in ihr auslöste. Aber dann jagte ein Blitz durch sie hindurch in ihn hinein, und er ließ von ihr ab, zuckte wie von Sinnen, als würde er elektrisiert. Cynthia kroch unter dem Kerl hervor, der am ganzen Körper zitterte. Winzige Funken jagten über sein Gesicht. Die Augen leuchteten, die Lippen bebten. So etwas hatte sie noch nie gesehen. Es sah so aus, als hätte er soeben einen elektrischen Schlag bekommen. Aber woher? Er streckte die stark zitternde Hand nach ihr aus und kroch auf sie zu. Sein Gesicht war von Schmerz und Zorn völlig entstellt. Cynthia sprang auf die Beine und wollte fliehen. Da packte er sie plötzlich am Knöchel und riss sie erneut zu Boden.
Just in dem Moment wurde der Fremde durch die Luft gewirbelt wie ein altes Handtuch. Er prallte gegen die Wand, riss ein Bild mit herunter und blieb benommen am Boden liegen. Ehe Cynthia klarwurde, was geschehen war, bemerkte sie den riesigen Schatten, der sich über das ganze Zimmer zog.
Mandrake packte den Eindringling am Kragen und zog ihn auf die Beine. Doch der war durch den Aufprall noch zu sehr entkräftet, so dass er sich nicht auf den Füßen halten konnte.
»Wenn dir dein armseliges Leben lieb ist, lässt du die Finger von ihr, kapiert, du Wurm?«
Mandrake stieß ein animalisches Grollen aus und drückte seinen Gegner mit solcher Wucht gegen die Wand, dass der Raum wackelte. Der Eindringling schlug mit dem Hinterkopf auf
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