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Gibraltar

Gibraltar

Titel: Gibraltar Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sascha Reh
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entschuldigend die Hand und räumt weiter seine Socken ein.
    »Kannst du mal aufhören damit?«
    »Womit?«
    »Du nimmst mich nicht ernst. Als wär ich ein Kind oder so.«
    »Das stimmt nicht. Tu ich das?« Er hört auf mit seinem Sockengetue und setzt sich auf die Bettkante. Sie versteht überhaupt nicht, wo das Problem liegt, und das sagt sie auch. »Du bist nicht mein Arzt.«
    »Das will ich auch gar nicht sein.«
    »Wieso können wir dann nicht miteinander schlafen? Ich möchte jetzt mit dir schlafen!«
    Thomas versucht, nicht verlegen auszusehen, aber er ist nicht besonders gut darin. Sie fragt sich kurz, wie das angefangen hat; als er sie noch behandelt hat, war er erst nur ein Gesicht, dann eine Stimme, und nach zwei Tagen war sein Körper hinzugekommen, seine kurzen dunklen Haare, seine tiefblickenden Augen. Sie nimmt das Handtuch, dass sie sich um den Körper gewickelt hat, und lässt es neben das Bett fallen.
    »Nicht, Valerie.« Er dreht sich weg, als habe er irgendwas Schreckliches gesehen.
    »Was soll das? Wieso kannst du mich nicht ansehen.«
    »Ich … Valerie.«
    »Also haben die Aktionäre recht. Sie sagen, ich sei ungepflegt und ekelhaft und hässlich und …«
    »Valerie, hör auf.«
    Aber sie kann nicht aufhören. Dabei weiß sie nicht einmal, ob es stimmt; ob die Aktionäre das wirklich zu ihr gesagt haben oder ob sie es jetzt Thomas gegenüber nur behauptet, weil es ihre Verhandlungsposition in dieser Sache begünstigt, womit sie dann allerdings in Betracht ziehen müsste, dass sie ein berechnendes, verlogenes Miststück ist und dass die Aktionäre mit ihren Vorwürfen so oder so recht haben, auch wenn sie etwas anderes gemeint haben, und aus der Falle kommst du nicht raus, Valerie, niemals. Dafür kommen jetzt die Worte aus ihr heraus, ohne dass sie sie stoppen könnte, und ihre Tränen gleich mit, und dann wird es irgendwann besser, weil er sie berührt; weil Thomas sie tatsächlich berührt und sie im Arm hält und sagt, sie sei nichts von all dem, was die Aktionäre ihr sagen, sondern »eine hübsche Frau«, sagt er leise und ganz nah bei ihr. Leider kann sie das »hübsch« nicht trösten, weil es vermutlich gelogen ist, aber das Glück darüber, dass er »Frau« sagt, wächst in ihrer Kehle und füllt ihre Brust, und dass sie dann noch mehr weint, okay, das ist vielleicht missverständlich, aber anders geht es halt nicht.
    Sie küsst ihn, ohne darüber nachzudenken, was passieren könnte, wenn er ihr den Kuss verweigert, und dann schließt sie die Augen, und ihre Gedanken werden erst leiser und dann still.
    Hinterher setzt er sich auf, oder beziehungsweise sie ist ein wenig eingeschlafen und wacht dadurch auf, dass er sich aufsetzt, und sie dreht sich um und sieht ihn an. Lange. Sol Moscot liegt in der Ecke und schläft, aber bestimmt tut er nur so, denkt sie, bestimmt hat er alles genau mit angesehen und denkt sich seinen Teil.
    »Was denkt er wohl über uns?«, fragt sie Thomas. Der folgt ihrem Blick und schüttelt den Kopf. »Ich will es gar nicht wissen.«
    Er sagt lange nichts, und so viel kann sie sich denken, dass jemand wie Thomas bestimmt denkt, dass die Dinge jetzt, wo sie einfach und schön gewesen sind, ganz schnell wieder kompliziert werden müssen, weil man sonst am Ende noch ein bisschen Spaß am Leben finden könnte.
    »Also was«, sagt sie und geht vorsorglich schon mal in Angriffsstellung. »Jetzt haben wir alles falsch gemacht, oder was? Das denkst du doch. Alles ganz schlimm jetzt, oder? Du hast dein Ding in mich reingesteckt, ich hab dich stöhnen hören, du hast in mir abgespritzt, und das ist jetzt so ziemlich der Untergang des Abendlandes.«
    Er guckt ziemlich geschockt, und klar, kann man auch irgendwie verstehen, deine Ausdrucksweise ist ja auch ziemlich, na ja, geht das nicht auch etwas subtiler, Valerie? Aber ihr fallen nur die Socken ein, die er von links nach rechts geräumt hat wie ein Zwangsneurotiker auf Pille, und sie sagt: »Also wenn du mich fragst, besteht überhaupt kein Grund, jetzt die Verklemmungsnummer abzuziehen, denk mal drüber nach, solange ich zum Klo gehe, die ganze Suppe läuft nämlich gerade aus mir raus.«
    Als sie zurückkommt, sollte man noch immer nicht meinen, dass Thomas sein Geld mit Reden verdient, so verstockt sitzt er da. Dabei sieht sie ihm an, dass er gern was sagen würde, dass er es geradezu für seinen Job hält, etwas zu sagen, um irgendein Etikett auf das zu kleben, was gerade zwischen ihnen passiert ist, damit er eine

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