Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Gibraltar

Gibraltar

Titel: Gibraltar Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sascha Reh
Vom Netzwerk:
hergekommen.«
    Bevor Valerie den Überblick verliert, bringt Thomas ein bisschen Struktur in die Unterhaltung, indem er einen weiteren Fünfziger-Jahre-Schwarzweißfilm-Satz sagt, nämlich: »Wo ist das Geld?«
    Worauf Bernhard lacht, und Valerie muss zugeben: Würde sie an seiner Stelle wahrscheinlich auch machen. Nicht, dass sie das Ganze für komisch hält. Aber Thomas mit seiner Ganovensprache, der ramponierte Bernhard, der in den letzten Tagen seinen Job als toter Stiefvater ziemlich überzeugend gemacht hat, und ihre eigene Aufregung, die sie sich überhaupt nicht erklären kann; das alles kommt ihr so unecht vor, dass sie es eigentlich nur aushält, weil sie sich daran schon so lange gewöhnt hat.
    Weil sie im Zimmer nicht rauchen dürfen, sind sie raus auf die Plaza de la Constitución. Valerie lehnt an einer niedrigen Mauer mit Blick auf das Hostal und versucht, sich mit dem Fuß auf den herabhängenden Schnürsenkel des jeweils anderen Schuhs zu stellen, und zwar gleichzeitig, was eine ziemlich knifflige Aufgabe ist. Sol Moscot streunt über das Betonplateau des Platzes und sichtet das Angebot an geeigneten Laternenmasten. Die Wolken sind so lustlos, dass sie nicht mal Formen annehmen, und aus irgendeinem Fenster dringt das Karaoke-Instrumental zu Stevie Wonders »I Just Called To Say I Love You«, zu dem irgendwer ebenso schief wie einsam singt und damit in puncto Trostlosigkeit zehn von zehn möglichen Punkten erreicht, da helfen auch Meeresrauschen und pittoresker Felsen im Hintergrund wenig weiter.
    »Ist irgendwas?«, fragt Bernhard, die Hände in den Taschen.
    Sie hat schon früher nicht verstanden, wozu er eigentlich diese Angeberoberarme braucht, wo er doch, was den Krafteinsatz angeht, ungefähr den leichtesten Job der Welt hat, nämlich immer nur schön mit dem Zeigefinger auf seine Maus tippen und mit seinem Wichtigtuer-Headset nicht einmal den Telefonhörer abnehmen muss. Alles Fassade, denkt sie, das hat sie irgendwie schon immer gewusst. Vielleicht sollte sie ihn aber trotzdem nicht die ganze Zeit anstarren.
    »Hast du mal ein paar Euro?«, fragt Bernhard sie plötzlich, was von allem, was er überhaupt fragen könnte, so ungefähr das Unwahrscheinlichste ist.
    »Bitte?«
    »Euro. Geld. Ich will mir Zigaretten kaufen.«
    »Hast du kein eigenes Geld?« Es ist komisch, den Satz mal zu ihm zu sagen. Er zieht nur die Augenbrauen hoch und sagt nach einer Weile: »Was ist jetzt?«
    »Du kannst was von meinem Tabak haben.« Ihr Tabak ist allerdings schon fast wieder alle, sie hat unterwegs doch noch ein paar Notfälle gehabt, eigentlich war die ganze Fahrt ein einziger Notfall, gequalmt hat sie jedenfalls wie eine ganze Industrienation, so was geht ins Geld.
    »Nett von dir, Valerie«, sagt er süffisant, »aber ich möchte diesen trockenen Krümelscheiß nicht. Du wirst mir doch nicht erzählen, dass du nicht noch ein paar Euro in der Tasche hast?«
    »Ich hab nur noch den Zehner.«
    » Den   Zehner? Ist das so was wie ein magischer Zehner?«
    »Den hab ich, um mich dran zu erinnern, dass ich ihn nicht ausgeben darf.«
    »Klingt logisch. Gibst du ihn mir? Du kriegst ihn ieder«, sagt Bernhard und macht dazu dieses Möchtegern-Gewinnerlächeln. Und während sie noch darüber nachdenkt, ob beziehungsweise warum sie ihm den Zehner auf keinen Fall geben wird, hat sie es schon getan.
    Im selben Moment kommt Thomas zurück. Er sieht besorgt aus und aufgeregt. »Mein Vater hatte einen Herzstillstand.«
    »Was ist mit Johann?«, fragt Bernhard. Das MöchtegernGewinnerlächeln ist jetzt aus seinem Gesicht verschwunden.
    »Das weißt du nicht? Er hatte einen Schlaganfall, nachdem du … die Bank gesprengt hast.«
    Bernhard sieht Thomas an, steckt den Zehner ein und nimmt sich Valeries Tabak, den sie auf der Mauer abgelegt hatte. Fängt an, sich eine zu drehen.
    »Sie konnten ihn reanimieren, aber sein Zustand ist nicht stabil.«
    »Das tut mir leid. Wirklich.«
    »Ja. Das sollte es auch.«
    »Johann ist wie ein …«
    »Ja, weiß ich. Spar dir das.«
    Bernhard sagt nichts, sondern zündet sich die Zigarette an. Thomas steht mit verschränkten Armen vor ihm und scheint auf etwas zu warten. »Was ist mit dem Geld?«, fragt er noch mal. Bernhard raucht; er sieht aus, als dächte er nur über eine Antwort nach, aber irgendwann wird klar, dass er überhaupt nicht zugehört hat.
    »Du hast alle bestohlen«, sagt Thomas.
    »Ich hab niemanden bestohlen«, antwortet Bernhard kühl.
    »Gut. Umso besser. Dann gehen

Weitere Kostenlose Bücher