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Gib's mir

Gib's mir

Titel: Gib's mir Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kristina Lloyd
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war, dass es sich fast gewalttätig anfühlte.
    «Angebrochene Rippen», erklärte er. «Tun aber bloß weh, wenn ich atme.» Er setzte sich vorsichtig in den Sessel, indem er sich so bedächtig darauf niedersinken ließ wie ein alter Mann mit Rheuma.
    «Also, was ist passiert?», bestürmte ich ihn und starrte dabei auf sein unförmiges, misshandeltes Gesicht. «Und wann? Hast du schon was unternommen … Salbe, Schmerztabletten? Willst du, dass ich was tue?»
    «Was, zum Beispiel?», antwortete er und bemühte sich dabei, ein möglichst anzügliches Lächeln hinzubekommen.
    Ich zuckte mit den Schultern, fühlte mich absolut nutzlos und wollte ihm doch so gern helfen. «Kissen aufschütteln. Tee kochen. Keine Ahnung. Entschuldigung, aber ich bin echt eine schlechte Krankenschwester. Ich … Ist alles okay mit dir?»
    «Es geht mir gut», sagte er und sah mich dabei mit seinem seltsam verzogenen Blick an. «Wirklich. Es sieht schlimmer aus, als es ist.»
    «Aber wie ist es passiert?», fragte ich bittend und allmählich etwas frustriert. «Hast du dich mit einem Bus angelegt? Oder … oder sollte ich mir besser erst mal den anderen Typen ansehen, bevor ich dich bedaure?»
    «Hhmmm», brummte er matt. «Setz dich hin, okay? Und hör auf, diese Handbewegung zu machen. Das macht mich ganz nervös.»
    Ich setzte mich auf die Sofakante, meine Hände ineinander verkrallt, und wartete darauf, dass er mit seiner Geschichte begann.
    Sein Auge sah wirklich abscheulich aus: Das Lid war aufgedunsen, die Haut darüber lila glänzend und straff gespannt. Und das Auge, das nur mühsam unter diesem Wulst hervorzusehen vermochte, drehte mir fast den Magen um: Auf der einen Seite der Iris war der Augapfel weiß und klar, auf der anderen waren sämtliche kleinen Äderchen geplatzt, die wie ein Spinnennetz alle von einem einzigen, grässlich roten Punkt ausgingen.
    Ilya sah mich an, öffnete seinen Mund zum Sprechen, brach ab, setzte erneut an.
    «Schau, Beth. Ich habe eine Menge Schulden.»
    «Herrje», grummelte ich. Die meisten Leute, die ich kenne, haben eine Menge Schulden, aber ich vermutete, dass Ilyas Auffassung von «eine Menge» wahrscheinlich ziemlich von meiner abweicht. Hier ging es ganz offensichtlich nicht darum, dass er mal eine Weile lang ein bisschen zu locker seine Kreditkarte gezückt hatte.
    «Und nach Brighton bin ich gekommen, um ein bisschen Zeit zu gewinnen», fuhr er fort und spielte mit den Fingern. «Und um etwas finden, womit ich meine Schulden zurückzahlen kann. Weil ich das tun muss. Aber jetzt wird die Zeit allmählich knapp, und ich …» Seine verschwommene Erklärung versank in finsterem Schweigen.
    «Willst du damit sagen, dass du von den Leuten zusammengeschlagen worden bist, denen du was schuldest?», hakte ich nach.
    «Ja, indirekt.»
    «Aber wer ist das denn?», fragte ich. «Und wie viel wollen sie? Und wofür?»
    Ilya setzte zu einem tiefen Atemzug an, griff sich dann aber an den Brustkorb und ließ die Schultern wieder sinken. «Ich weiß, ich bin wirklich nicht sehr ehrlich mit dir umgegangen. Und ich weiß, dass dich das ziemlich geärgert hat. Aber dabei werde ich es im Moment auch weiter belassen müssen. Es tut mir leid. Aber das ist das Sicherste so. Es ist besser für dich, wenn du dich aus der Sache völlig raushältst.»
    «Aber was ist ‹die Sache›?», bestand ich auf einer Antwort. «Geht’s um Antiquitäten und so ’n Zeug?»
    Ilya schüttelte den Kopf und versuchte zu lächeln.
    «Nein. Pete … das ist sein Geschäft – aber mehr als … Tut mir leid. Ich kann dir nicht mehr sagen, bis –»
    «Also geht es um Drogen?», fragte ich. «Ist es das, womit du handelst? Bist du ein Dealer?»
    Er schüttelte wieder den Kopf, hatte dabei die Augen niedergeschlagen.
    «Erinnerst du dich noch, als ich neulich mal überraschend bei dir aufgekreuzt bin?», setzte ich an. «Als ich kam, um meine Boa und meine Uhr abzuholen, und du hast mich einfach nicht reingelassen? Und deine Finger waren ganz weiß und voller Pulver …»
    Ilya sah irritiert aus.
    «Du hast mir erzählt, du hättest Spachtelmasse-Pulver verstreut», fuhr ich fort. «Oder irgendeinen Quatsch jedenfalls. Aber worum ging’s da wirklich? Ich habe mir doch die ganze Zeit gedacht, dass es um Drogen ging. Du kannst es mir ruhig sagen. Ich bin eine weltoffene Frau, das weißt du.»
    Ilya lachte und zuckte dabei schmerzvoll zusammen. «Das hatte ich schon fast vergessen», sagte er, und sein gesundes Auge glitzerte

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