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Gib's mir

Gib's mir

Titel: Gib's mir Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kristina Lloyd
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Fingerspitzen. Er sah mir so tief in die Augen, als wollte er mich um meine Hand anhalten oder mir zumindest seine unsterbliche Liebe gestehen.
    «Aber du wirst eine tolle kleine Schlampe sein», grinste er. «Es wird ein phantastischer Auftritt werden.»
    Ich versuchte zu lächeln. «Mir tut immer noch alles weh», klagte ich. «Gestern konnte ich kaum laufen.»
    «Ja», sagte Ilya sanft. «Aber du warst großartig. Und du hast jede Minute genossen, stimmt’s?»
    «Wie bitte? Von einer Horde mieser Typen rangenommen worden zu sein, soll ich genossen haben? Ja, super, vielen Dank. So viel Spaß hatte ich schon seit Ewigkeiten nicht mehr.»
    «Ach, komm schon», entgegnete Ilya. «Tu doch nicht so, als ob –»
    «Tony ist einfach zu schrecklich», gab ich zurück. «Und dieser Türsteher-Typ ist widerlich. Und genauso der Kerl, der ewig Kaugummi gekaut und mich immer Nutte und Kuh genannt hat und –»
    «Hey, aber er ist im Grunde harmlos. Er kriegt bloß seine Phantasien irgendwie nicht auf die Reihe, das ist alles.»
    «Ja, aber dann weiß ich nicht, ob ausgerechnet ich mir das zutraue», brummelte ich. «Das sind ja Sachen, die in seinem Kopf abgehen, und es sind seine Vorstellungen. Wenn ich schon die tolle kleine Schlampe spielen soll, dann doch lieber nach meinen Vorstellungen.»
    Ilya lächelte mitleidig. «Und, was hat dein kleiner Liebhaber zu alldem gesagt?»
    «Luke?», fragte ich mit einem kurzen Lachen. «Ich habe ihm erzählt, es wäre ein Überraschungstreffen gewesen. Mit Leuten, die ich schon lange nicht mehr gesehen hätte. Ich glaube nicht, dass ihn das überzeugt hat. Aber er hält mich ohnehin für etwas seltsam. Und geheimnisvoll.»
    Ilya drückte meine Finger.
    «Aber versprichst du mir, dass nach diesem Auftritt die Sache damit ausgestanden ist? Dass Tony dich in Ruhe lassen wird, bis du die andere Geschichte abgewickelt hast?»
    «Ja. Kein Problem.»
    Ich wusste, dass er log, aber das war mir egal. Ich fing an, seine Lügen der Wahrheit vorzuziehen.

    Der Raum war klein, heiß und überfüllt. Farbige Lichter von der Spiegelkugel strichen über die Gäste, und ich lehnte mich an die Bar, trank aus meiner Beck’s-Flasche, suchte nach Ilya.
    Ich konnte ihn nirgendwo entdecken. Vielleicht ist er nur mal pinkeln gegangen, dachte ich. Oder die ganze Sache ist geklärt, und er ist in seine Pension zurück. Vielleicht hat auch Tony keine Zeit heute Abend, und ich muss das jetzt nicht mehr durchstehen.
    Tränen brannten in meinen Augen, aber ich wandte mich der niedrigen Bühne zu und ließ ihnen nicht freien Lauf.
    Eine Frau mit chemisch roten Haaren, bekleidet mit einem lilafarbenen Latexanzug, saß mit gespreizten Beinen auf einem Stuhl. Sie schob den Griff einer vielschwänzigen Peitsche in ihre Vagina. Lederbänder wanden sich über ihre Schenkel wie Gedärm.
    Einigen im Publikum schien das zu gefallen. Sie klatschten und johlten. Andere waren sichtlich geschockt. Niemand hatte sie gewarnt, dass heute Abend «KoolSex» alles andere als cool sein würde.
    Und das alles für Ilya, da, wenn ich es nicht täte, Tony sauer würde und Ilya darunter zu leiden hätte oder aber abhauen müsste.
    Es war Erpressung, schlicht und einfach. Und dazu war es gekommen, weil Tony mich mochte. Weil Tony mich wollte. Weil es Tony antörnte, dass er im Moment solche Macht über Ilya hatte und dementsprechend auch über mich. Weil ich dummerweise Ilya immer noch sehr mochte.
    Das ist die Art, wie Tony arbeitet, hatte Ilya gesagt. Das ist der Grund, warum er das tut, was er tut. Er könnte nie ein Killer sein, der einen Mann mit einem einzigen Schuss erledigt, weil er sich daran hochzieht, Menschen zu quälen. Er liebt es, sie sich krümmen zu sehen, manchmal körperlich, manchmal auch geistig. Er ist ein schrecklicher Sadist. Vollkommen ohne jede Moral. Und über seinen Geisteszustand lässt sich streiten.
    Der Gedanke daran ließ mich vor Angst zittern.
    Ich konnte heute Abend nicht mit Ilya sprechen. Er wusste das. Ich hatte ihn gebeten, sich von mir fernzuhalten, denn wie auch immer er sich verhalten würde, er könnte mich unbeabsichtigt dazu bringen, alles zu schmeißen. Wenn er mich Mitgefühl und Verständnis spüren ließe, könnte es passieren, dass ich in Tränen ausbräche; wenn er locker wäre und mich ermuntern würde, wäre mir wahrscheinlich danach, ihm eine reinzuhauen. Besser, hatte ich also gesagt, du bist irgendwo im Publikum, und ich sehe dich gar nicht. Bleib anonym für mich. Ich wollte

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