Gideon Crew 01 - Mission - Spiel auf Zeit
er schwamm weiter, in absoluter Finsternis, das Brausen und Tosen des Sturms rings um ihn herum wie eine gewalttätige Umhüllung. Das bisschen Kraft, das ihm geblieben war, verebbte rasch. Es wäre eine böse Ironie, dachte er, wenn er das überlebt hatte, um anschließend doch zu ertrinken.
Und er würde ertrinken. Er konnte die Arme und Beine kaum noch bewegen. Konnte den Kopf nicht über Wasser halten. Eine große Welle drückte ihn nach unten, und da wurde ihm klar, dass er einfach nicht mehr die nötige Kraft besaß, um sich wieder nach oben zu kämpfen.
Aber dann berührten seine Füße die unter Wasser liegenden Kiesel des Strandes, und er konnte stehen.
Er wusste nicht, wie lange er auf dem Strand lag, nicht einmal, wie er die Kraft gefunden hatte, aus der Brandung herauszukriechen. Aber er kam wieder zu sich, auf dem höchsten Teil des Strandes. Neben sich sah er die zerstörte Masse des mächtigen Schornsteins, der auf dem Strand lag und im Wasser unterging. Überall lagen pulverisierte Ziegel herum, inmitten von Stücken verbogenen Metalls.
Metall
. Plötzlich von Panik erfasst, griff er nach seiner Hosentasche. Der Draht war noch da.
Nachdem er sich auf Hände und Knie hochgezogen hatte, kroch er über den Schutt, wobei er die Blitze als Wegweiser nutzte. Dort fand er nach kurzer Suche die Leiche von Nodding Crane, eingequetscht zwischen den zerbrochenen Ziegeln, keine zwei Meter vom Meer entfernt. In seiner Angst hatte er versucht hinabzusteigen. Und genau das hatte ihn das Leben gekostet: Er war auf dem Erdboden anstatt auf dem Wasser aufgeschlagen.
Die Leiche war eine hässliche, breiige Masse.
Gideon kroch weiter und schaffte es schließlich, auf die Beine zu kommen. Mit einem Gefühl der Leere, der absoluten körperlichen und geistigen Erschöpfung, wankte er von den zerschmetterten Überresten des Schornsteins fort und zurück zur Salzmarsch, wo er sein Boot versteckt hatte.
Er hatte noch eine sehr wichtige Sache zu erledigen.
Epilog
Gideon Crew betrat hinter Garza die Räume des EES -Gebäudes an der Little West 12th Street. Garza hatte nichts gesagt, aber Gideon spürte, dass der Mann Zorn ausstrahlte wie eine Heizsonne.
Die Räumlichkeiten sahen unverändert aus. Dieselben Reihen von Tischen mit exotischen Modellen und wissenschaftlichen Gerätschaften; dieselben Techniker und Laboranten gingen geschäftig von hier nach dort. Abermals fragte sich Gideon, für wen er wirklich arbeitete. Sein Telefonat mit dem Heimatschutzministerium hatte jenseits allen Zweifels bestätigt, dass in Glinns Firma alles mit rechten Dingen zuging. Aber sie kam ihm dennoch ungeheuer merkwürdig vor.
Sie betraten das spartanisch eingerichtete Konferenzzimmer im vierten Stock. Wieder saß Glinn am Kopfende des Tisches, das eine gesunde Auge so grau wie der Himmel über London.
Keiner sagte etwas. Gideon nahm unaufgefordert Platz, Garza desgleichen.
»Nun«, sagte Glinn und zwinkerte kurz mit dem einen Auge, wodurch er Garza offenbar die Erlaubnis erteilte, das Wort zu ergreifen.
»Eli«, sagte Garza mit ruhiger, wenngleich angespannter Stimme, »bevor wir anfangen, möchte ich aufs schärfste gegen die Art und Weise protestieren, wie Crew hier sich bei diesem Auftrag aufgeführt hat. Fast von Anfang an hat er unsere Anweisungen missachtet. Bei jedem Treffen hat er mich mehrfach angelogen, und zum Schluss hat er vollkommen auf eigene Faust gehandelt. Er hat gelogen, was den Ort der Konfrontation betraf, ist ein enormes Risiko eingegangen und hat auf Hart Island ein riesiges potenzielles Problem für uns geschaffen.«
Noch ein kurzes Blinzeln. »Erzählen Sie mir vom Hart-Island-Problem.«
»Zum Glück«, sagte Garza, »konnten wir es abwenden.« Und damit knallte er die Morgenausgabe der
Post
auf den Tisch. Die Riesenschlagzeile lautete: VANDALEN VERWÜSTEN STÄDTISCHEN FRIEDHOF : ZWEI TOTE .
»Geben Sie mir eine Zusammenfassung.«
»In dem Artikel heißt es, dass Hart Island letzte Nacht von mehreren Vandalen überfallen wurde. Sie stahlen auf City Island ein Boot, rissen einen Haufen Gräber auf, entweihten menschliche sterbliche Überreste und verwüsteten einige Gerätschaften. Und dann setzte es sich einer der Vandalen in den Kopf, den Schornstein hinaufzuklettern, der im Sturm umstürzte, wodurch er umkam. Der Mann ist bislang noch nicht identifiziert worden. Ein Zweiter, eine Frau, wurde von Unbekannten erschossen. Die anderen sind entkommen und werden polizeilich gesucht.«
»Ausgezeichnet«,
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