Gideon Crew 02 - Countdown - Jede Sekunde zählt
kommen, wie wär’s damit?«
»Bitte helfen Sie mir, dass ich den Arzt jetzt sehen kann.«
Sie schenkte ihm ein durchaus verständnisvolles Lächeln. »Mal sehen, was ich machen kann.« Sie stand auf und verschwand in einem Gewirr von Praxisräumen. Einen Augenblick später kam sie heraus. »Durch die Tür, einmal rechts und dann links. Untersuchungszimmer zwei.«
Gideon folgte der Anweisung und betrat das Zimmer. Eine Krankenschwester mit Klemmbrett und einem fröhlichen »Guten Morgen« auf den Lippen erschien, ließ ihn auf dem Untersuchungstisch Platz nehmen, nahm seinen Blutdruck und seinen Puls. Gerade als sie damit fertig war, erschien eine große Gestalt im Türrahmen. Die Krankenschwester eilte los, reichte der Gestalt das Klemmbrett und verschwand.
Der Arzt trat ein, ein ernstes Lächeln auf dem gütigen Gesicht, der Halbkranz aus gelocktem Haar wurde von hinten von der hellen Morgensonne beschienen, die durchs Fenster strömte. Dadurch sah er aus wie ein großer, vergnügter Engel.
»Guten Morgen, Mr. Crew.« Er ergriff Gideons Hand und schüttelte sie fest und freundlich. »Nehmen Sie doch Platz.«
Gideon, der aufgestanden war, als der Arzt eintrat, setzte sich wieder. Der Arzt blieb stehen.
»Ich habe hier die Ergebnisse der Schädel-Kernspin, die wir vor einer Woche gemacht haben.«
Am Tonfall des Neurologen erkannte Gideon sofort, was er sagen würde. Er fühlte sich in den Fängen einer Flucht-oder-Kampf-Reaktion, sein Herz pochte, der Blutdruck stieg an, die Muskeln verkrampften. Er versuchte mit aller Kraft, sich zu beruhigen.
Dr. Metcalfe hielt inne, dann setzte er sich auf eine Ecke des Tisches. »Die Ergebnisse der Untersuchung zeigen ein Wachstum der Blutgefäße im Gehirn, das wir als AVM oder arteriovenöse Malformation bezeichnen …«
Gideon erhob sich abrupt. »Das war’s. Mehr brauche ich nicht zu wissen. Vielen Dank.« Er ging zur Tür, wurde aber vom Arzt aufgehalten, der ihm die Hand auf die Schulter legte, um ihn zu besänftigen.
»Ich nehme also an, dass Sie sich bei mir eine zweite Meinung einholen wollten und bereits Bescheid wussten?«
»Ja«, sagte Gideon. Er wollte nichts anderes, als zur Tür hinauszugehen.
»Also gut. Ich glaube jedoch, dass Sie davon profitieren würden, wenn Sie sich anhören, was ich zu sagen habe – wenn Sie denn bereit sind, mir zuzuhören.«
Gideon blieb stehen. Mit Mühe bekämpfte er den Impuls, davonzulaufen. »Dann sagen Sie es einfach. Reden Sie es nicht schön. Und ersparen Sie mir Mitleidsbekundungen.«
»In Ordnung. Ihre AVM betrifft die große Vena Galini und ist sowohl angeboren als auch inoperabel. Dieser Typus von Missbildung neigt mit der Zeit dazu, zu wachsen, und es gibt Hinweise, dass Ihre wächst. Eine anormale, direkte Verbindung zwischen der Hochdruck-Arterie und der Niedrigdruck-Vene führt in der Regel zu einer fortschreitenden Erweiterung der Vene und zur Vergrößerung der AVM. Darüber hinaus gehört zur AVM eine venöse Anomalie, die offenbar den Blutfluss einschränkt und zu einer weiteren Vergrößerung der Vene führt.« Er hielt inne. »Benutze ich zu viele Fachbegriffe?«
»Nein«, sagte Gideon. In gewisser Weise nahm ihm das fachliche Vokabular ein wenig von seiner Angst. Dennoch drehte sich ihm der Magen um bei der Vorstellung, dass dies in seinem Kopf stattfand.
»Die Prognose ist nicht gut. Ich würde schätzen, dass Sie noch sechs Monate bis zwei Jahre zu leben haben – wobei die Sterblichkeitsrate wahrscheinlich irgendwo um ein Jahr herum oder etwas darunter liegt. Andererseits finden sich in den Annalen der Medizingeschichte immer wieder Wunder. Niemand kann mit absoluter Sicherheit sagen, was die Zukunft bringt.«
»Aber die Überlebensrate nach, sagen wir, fünf Jahren … ist wie hoch?«
»Verschwindend gering. Aber nicht null.« Der Arzt zögerte. »Es gibt Möglichkeiten, wie wir mehr herausfinden können.«
»Ich bin mir nicht sicher, ob ich mehr wissen möchte.«
»Verständlich. Aber es gibt ein Verfahren namens Zerebralangiographie, das uns sehr viel mehr über Ihre Situation sagen würde. Wir schieben in der Leistengegend in die Oberschenkelarterie einen Katheter und fädeln ihn bis zur Halsschlagader hinauf. Dort geben wir ein Kontrastmittel frei. Während sich dieses durch das Gehirn ausbreitet, machen wir eine Reihe von Radiographien, was uns erlaubt, die AVM zu kartographieren. Dadurch können wir genauer sagen, wie viel Zeit Sie haben … und vielleicht genauer erkennen,
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