Gier
Schlüssel und betrat das Haus. Er lauschte kurz, dann begann er mit der schnellen Untersuchung der Zimmer auf beiden Etagen.
Er ließ die üblichen Wohnbereiche und zwei der Schlafzimmer aus – das eine, weil es offensichtlich einer Frau gehörte, das andere, weil er bezweifelte, daß Sugarfoot Buschwanderungsmagazine abonniert hatte.
Blieb also das große Zimmer in der ersten Etage. Es war nur schwach erleuchtet, die Luft schwer von einer Atmosphäre heimlicher Leidenschaften. Zwischen den Pulpromanen im Bücherregal lagen Stapel von amerikanischen Waffenmagazinen und verschiedene großformatige Waffenbildbände aus modernen Antiquariaten. Ein Regal war vollgestopft mit Kriegs- und Westernvideos, auf deren Cover die Helden wie Götter posierten. Unter dem Fenster stand ein kleiner Schreibtisch. Die Schubladen waren abgeschlossen. An einer Wand stand ein großer, dunkler Kleiderschrank. Auch er war verschlossen. Wyatt sah unter das Bett. Er entdeckte eine Kiste mit einem Vorhängeschloß, aber er kümmerte sich nicht darum, sie hervorzuziehen oder das Schloß aufzubrechen. Er konnte sich vorstellen, was er finden würde.
Er ging wieder hinunter. Er zog die Tür hinter sich zu, legte den Schlüssel unter den Blauschiefer und ging um das Haus herum nach vorn.
Eine Stimme fragte: »Wer sind Sie?«
Die Frau war eben nach Hause gekommen. Sie hatte ein scharfgeschnittenes, unzufriedenes Gesicht und trug abstehendes, kurzes, weißes Haar. Auf einem Anstecker ihres Overalls stand: Reduziere, Restauriere, Recycele! Sie funkelte Wyatt wütend an. »Was wollen Sie?«
»Ich suche Sugarfoot. Ich habe geklopft«, sagte Wyatt.
»Dann bin ich herumgegangen, um nachzusehen, ob er hinten ist.«
»Sind Sie ein Freund von ihm?«
Wyatt beobachtete sie. Ihre feindselige Haltung schien nicht ihm zu gelten, deshalb sagte er: »Nicht unbedingt. Er schuldet mir Geld.«
Sie spitzte die Lippen: »Das sieht ihm ähnlich. Sie könnten es bei seinem Bruder versuchen. Er sagte, er wolle dorthin, um ein Bücherregal zu verladen. Aber das war heute morgen.« Sie fischte in ihrer lasche nach dem Haustürschlüssel. »Wenn Sie ihn sehen«, sagte sie, »sagen Sie ihm, er soll mir den Kombi zurückbringen, jetzt, oder ich melde ihn als gestohlen.« Sie schlug die Tür zu.
Wyatt ging zum Wagen zurück. In Carlton und wieder in Footscray begegnete er dichtem Fußballverkehr. Die Wagen der Sieger schienen auf der Überholspur zu rollen und mit der grünen Ampelwelle zu fließen, sie schwenkten Bänder und Schals. Die Verlierer waren kläglich in Familien-Sedans gestopft. Sie kamen nur in frustrierend langsamen Wellen voran. Finster blickende Väter schlugen nach Beinen auf den Rücksitzen. Dann begann es zu regnen, ein Auto streifte einen Bus, und Wyatt geriet in einen Stau. Die Stadt bewegte sich sinnlos und gereizt auf den Samstagabend zu.
Gegen sechs Uhr hatte er in der Gasse hinterm Bargain City geparkt. Die Hintertür war verschlossen. Er ging zum Haupteingang. Metallplatten sicherten Tür und Fenster. Es brannte kein Licht. Alles Leben schien sich um die Videothek und den Schnellimbiß zu gruppieren. Wyatt kehrte zum Wagen zurück, verfolgt von Musikfetzen, Filmbildern und dem Geruch von Essig auf Fisch und Chips.
Er war dabei, die naheliegenden Aufenthaltsorte abzuhaken. Er fuhr zwei Kilometer zu Ivan Youngers Haus. Ivan liebte es zu sagen: »Footscray ist der Ort, an dem ich geboren bin, von dem aus ich Geschäfte mache, der Ort, an den ich gehöre«, als sähe er sich als Großvater, der inmitten seiner Familie lebte. Sein ausgedehntes 50er-Jahre-Haus war auf ein großes Stück Land in einer Straße mit Arbeiterhäusern gesetzt worden. Eine hohe Mauer aus Blauschiefer, oben mit Glasscherben versehen, umgab Haus und Garten. Über dem stählernen Eingangstor hing eine Überwachungskamera. Wyatt blieb dem Stahltor fern, er ging davon aus, daß es abgeschlossen war. Er stand an einer Stelle, von der aus er das Haus sehen konnte. Es schien dunkel zu sein.
In diesem Moment tauchte auf dem Bürgersteig ein Mädchen auf. Sie trug einen Parka und stakste auf Rollerskates vom Laden an der Ecke nach Hause. Ihre Bewegungen waren ungeschickt. Sie benötigte ihre Arme, um das Gleichgewicht zu halten, aber sie hielt sie eng am Körper, trug Milchkartons und ein Baguette. An der Stelle, wo der Bürgersteig eine Vertiefung hatte, um Autos die Zufahrt zu Youngers Tor zu erlauben, verlor sie die Balance. Sie stolperte wie ein Clown gegen das Tor.
Es
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