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Gier

Gier

Titel: Gier Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Garry Disher
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schwang nach innen auf. Das Mädchen, das sich an den vertikalen Stangen festhielt, schwang mit, ihre Skates rollten unter ihr weg, Milch und Brot entglitten ihren Händen. Wyatt sah zu, wie sie auf den Bauch fiel.
    Das war ungeschickt, unerwartet, schmerzvoll. Sie begann zu weinen. Wyatt sah, wie sie sich auf den Rücken drehte, sich aufsetzte, ihre Skater untersuchte und über ihre Knie und Ellenbogen wischte. Dann kam sie hoch, sah sich nach der Milch und dem Brot um und rollte zitternd weiter den Bürgersteig entlang. Er sah ihr nach. Niemand sonst war auf der Straße.
    Als sie außer Sichtweite war, beobachtete er mehrere Minuten lang die Überwachungskamera. Es war die Sorte, die sich gleitend bewegte, aber die hier bewegte sich nicht. Er überquerte die Straße, ging durchs Tor und machte sich auf den Weg zum Haus, wobei er die Kiesauffahrt mied.
    Er umrundete einmal das Haus, probierte Türen und Fenster aus. Die Fensterriegel und innenliegende Läden aus Holz machten es ihm schwer, hineinzusehen. Alle Türen waren geschlossen. Er berührte sie nicht. Er nahm an, daß sie geschlossen waren. Es war frustrierend. Younger lebte allein, und es konnte sehr gut sein, daß er sich friedlich abgeschirmt in einem der hinteren Zimmer befand.
    Wyatt richtete seine Aufmerksamkeit auf die Garage. Das Tor stand offen, ein schäbiger Kombi schimmerte schwach im Licht der entfernten Straße. Kein anderes Fahrzeug weit und breit. Wyatt legte seinen Handrücken auf die Motorhaube des Kombis. Sie war kalt. Die Türen waren verriegelt. Er versuchte, die Tür, die von der Garage ins Haus führte, zu öffnen. Auch die war zu.
    Er blieb einen Moment stehen, dachte über den Sicherungskasten nach. Er befand sich an einer Wand des Hauses in der Nähe des Garagentores. Er hob den Deckel aus grauem Metall ab, darunter kam der Stromzähler zum Vorschein. Das Licht von der Straße reichte Wyatt aus, um sehen zu können, daß das Zählerrad sich nicht drehte. Ivan Younger litt unter Verfolgungswahn, was Sicherheit betraf. Er hatte eine Kamera am Tor, und im Haus gab es sicher eine Alarmanlage und Infrarotstrahlen. Sie verbrauchten nur wenig Strom, aber genug, um auf dem Zähler angezeigt zu werden. Das Alarmsystem war also abgeschaltet worden.
    Plötzlich begann sich das Rad zu drehen. Wyatt erstarrte und tauchte ins Dunkel, in der Erwartung von Licht, Alarmsirenen, rufenden Stimmen.
    Aber nichts geschah. Er bückte sich, dachte nach, dann fiel ihm ein, Licht und Alarmanlage waren ausgeschaltet, aber der Kühlschrank würde sich hin und wieder anschalten.
    Nun fühlte Wyatt sich sicher und kehrte zur Garage zurück. Auf einem Regal fand er Klebeband und Dosen mit Klebstoff. Dann ging er um das Haus herum. Badezimmerfenster waren immer am leichtesten. Er klebte die Scheibe mit dem Klebeband ab, zerbrach sie mit einem Stein und entfernte den zerbrochenen Teil neben dem Riegel. Er griff hinein, drehte den Riegel und zog sich bis zum Fensterbrett hoch. Nichts. Das Fenster war in der Mitte verriegelt worden. Nun konnte er nichts anderes tun, als den Rest der Scheiben zu entfernen und durchzuklettern. Er haßte es, das zu tun. Es brauchte Zeit, weil es nur eine schmale Lücke gab und er auf die Glasscherben acht geben mußte.
    Wyatt stand im Badezimmer und horchte. Eine altmodische Uhr tickte laut im Flur, sonst gab es kein Geräusch, auch kein Licht in anderen Teilen des Hauses. Es wirkte alles irgendwie falsch.
    Das bestätigte sich im Wohnzimmer. Zuerst nahm er einen sehr schwachen Korditgeruch wahr, dann entdeckte er im Dunkel eine menschliche Gestalt, die in einem alten Sessel gegenüber dem Fernseher saß. Weil nichts zu hören und niemand weiter im Haus war, ließ Wyatt seine Taschenlampe aufleuchten, lange genug, um zu sehen, daß Ivan Youngers Kopf auf die Brust gesunken war.
    Wyatt ging zum ihm und fühlte nach seinem Puls. Es gab keinen. Er benutzte noch einmal die Taschenlampe. Es gab keine sichtbare Wunde. Er tastete entlang der Haarlinie, konzentrierte sich auf den Bereich, wo der Schädel am dünnsten war. Da fand er es. Ein kleiner Fleck getrockneten Blutes. Kleines Kaliber, dachte Wyatt. Jemand, der wußte, was er tat.

Neununddreißig
    Es hätte jeder sein können.
    Wenn jemand Geld zum Investieren oder Talent anzubieten hatte, machte Ivan ein Geschäft mit ihm. In all den Jahren hatte er sich mit Sicherheit viel Feinde gemacht. Aber Ivan arbeitete vom Laden aus, nicht von zu Hause. Wann immer Wyatt in der Vergangenheit Güter

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