Gier (Ein Paul-Kalkbrenner-Thriller) (German Edition)
ein.«
»Verdammt!« Harenstett saß wie erstarrt auf der Bank. »Was stellt der Richter da an?«
Auch von Hirschfeldt war fassungslos. »Die Frage muss wohl eher lauten: Wie hat Dossantos das angestellt?«
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»Wie habt ihr das angestellt?« Nach einer Nacht in der stinkenden Zelle streckte sich Miguel Dossantos behaglich auf dem bequemen Rücksitz seines Chrysler aus.
»Zwei Fotos haben genügt, Chef«, sagte Bruno von vorne.
»Fotos?«
»Ermittlungsrichter Süshelm ist seines Jobs überdrüssig«, erklärte Claudio. »Er freut sich bereits auf die Abordnung an das Innenministerium des Landes Brandenburg. Außerdem hängt er an seinem Sohn, ist mächtig stolz auf ihn. Dieser hat gerade das juristische Staatsexamen bestanden und eine Stelle als Amtsrichter auf Probe beim Landgericht Bochum in Aussicht.«
»Gefeiert hat er sein Examen mit Freunden«, fuhr Bruno fort. »Die Party endete am frühen Morgen auf einem Hotelzimmer – mit einigen Nutten. Zwei der Frauen waren leider minderjährig. Deutlich minderjährig.« Er kicherte. Es klang wie ein brunftiges Grunzen. »Fotohandys sind schon eine feine Sache, Chef.«
Sie lachten, aber es war eine befangene Heiterkeit, genauso von düsteren Gedanken überschattet wie das Schweigen, in das sie verfielen, während sich der Wagen an den Touristenbussen am Brandenburger Tor vorbeischlängelte. Niemand wollte der Erste sein, der das Thema anschnitt, also sprach keiner, nicht einmal Dossantos.
Stattdessen rutschte er auf dem Sitz herum, als wäre eine Schar Ameisen in seinen Anzug gekrochen und würde über seine Haut wandern, es kitzelte und juckte. Seine Finger spielten nervös mit der Rolex und der Goldkette, die er in den Händen hielt. Er wollte den Schmuck erst zu Hause wieder anlegen, nachdem er sich den unerträglichen Fäkaliengestank vom Körper gewaschen hatte.
Als sie die Grenze zu Neukölln passiert hatten, wurde ihm bewusst, dass er der Wahrheit nicht länger ausweichen konnte. Er ließ die Scheibe hochfahren, die den Fond des Chrysler von den vorderen Sitzen trennte. Er sah seinen Freund und Anwalt an: »Wer verdammt ist dieser Zeuge?«
»Das weiß ich nicht.«
»Dann finde es heraus.«
»Ich habe dir schon einmal gesagt, es ist nicht das erste Mal …«
»Und ich sage dir, diesmal ist es anders!«
»Jetzt mach mal halblang … Es gibt niemanden, der so- viel über dich weiß, dass er dich derart belasten könnte.«
»Doch, du!«
Claudio lachte freudlos. »Was ist mit Bruno?«
»Nein, niemals!«
»Und deine Frau?«
»Sie ist im Krankenhaus.«
»Bist du dir da sicher?«
»Das würde sie nicht wagen.«
Dossantos’ Leib erzitterte. »Auf keinen Fall. Nicht nach allem …« Seine Stimme versagte ihm. Obwohl die Klimaanlage des Chrysler auf Hochtouren lief, bildete sich ein Schweißfilm auf seiner Haut. Langsam ließ er die Scheibe wieder runterfahren.
Bruno saß schweigend neben Robert, der den Wagen steuerte. Sie näherten sich Treptow. Es war nicht mehr weit bis zur Finca. Sein Zuhause. Der Erfolg. Ein Traum. »Bruno, finde raus, was meine Frau macht.«
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Auch eine halbe Stunde nach Ende der Verhandlung schäumte von Hirschfeldt noch vor Wut. Diesmal ließ er seinen Emotionen freien Lauf. »Herrgott, Horst, warum hast du das gemacht?«
Der Richter schaukelte auf seinem Stuhl, als interessierte ihn der zornige, tobende Politiker überhaupt nicht. Sein Knie stieß gegen den Schreibtisch. Die Aktentürme wackelten und drohten auf den Boden des Büros zu kippen, wo noch mehr Ordner verstreut herumlagen. Kaum zu glauben, dass Süshelm in diesem Durcheinander den Überblick behielt. Im Gerichtssaal vorhin hatte er ihn ganz offensichtlich verloren. Genauso wie nun seine Sprache. Er gab keinen Ton von sich.
Von Hirschfeldt schimpfte weiter: »Warum hast du Dossantos auf freien Fuß gesetzt? Ich dachte, du bist ein Mann, der zwischen Recht und Unrecht unterscheiden kann und der …«
»Der was, Frieder?« Süshelm sprach ihn mit dem Vornamen an, aber es klang unterkühlt und distanziert. »Die Untersuchungshaft ist und bleibt noch immer eine Ermessenssache des Richters.«
»Und woran, verdammt, hast du den Fall bemessen? Es geht um Erpressung, Bestechung, Veruntreuung. Und Mord.«
»Das habe ich begriffen. Der Staatsanwalt hat es mehr als deutlich ausgeführt.«
»Und ich habe dir gestern noch erklärt: Miguel Dossantos ist einer der übelsten Paten der Stadt, der mehr Verbrechen auf dem Kerbholz hat als jeder andere Übeltäter, der
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