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Gier (Ein Paul-Kalkbrenner-Thriller) (German Edition)

Gier (Ein Paul-Kalkbrenner-Thriller) (German Edition)

Titel: Gier (Ein Paul-Kalkbrenner-Thriller) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Krist
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bisher vor deinem Richterpult stand. Er gehört hinter Schloss und Riegel. So einfach ist das.«
    »Nein, Frieder, so einfach ist es leider nicht. Und ja, ich habe verstanden, dass hinter dem Wunsch, Dossantos den Prozess zu machen, Jahre von aufreibender Arbeit – und viele frustrierende Rückschläge – stecken. Aber genau da liegt das Problem: Dossantos lebt seit mehr als einem Vierteljahrhundert unbescholten in der Stadt.«
    »Unbescholten? Soll das ein Witz sein?«
    »Er steht mitten im gesellschaftlichen Leben. In der öffentlichen Wahrnehmung ist er der Wohltäter, der Ehrenbürger von Berlin. Er ist ohne Makel und …«
    »Verdammt, das weiß ich doch alles.« Von Hirschfeldt stampfte mit dem Fuß auf. Erneut wackelten die Aktentürme bedenklich. »Das sind die Worte seines Verteidigers.«
    »Und?«
    »Und wie beurteilst du den Fall? In Wahrheit?«
    Süshelm legte seine Robe ab. Darunter trug er eine schwarze Stoffhose und ein kariertes Hemd mit gestreifter Krawatte. Noch mehr Chaos. »Was willst du damit andeuten?«
    »Du bist dir hoffentlich bewusst, wie die Presse auf dein Urteil reagieren wird. Und wie ich jetzt in der öffentlichen Wahrnehmung dastehe. Erst vor der Verhandlung habe ich noch erkärt, dass …«
    »Ja, ich hab’s im Radio gehört. Und ich bin mir bewusst, dass«, seine Stimme nahm einen vorwurfsvollen Unterton an, »bei der ganzen Sache auch politisches Interesse eine Rolle spielt. Nämlich
dein
politisches Interesse.«
    »Was soll das denn jetzt heißen?«
    »Frieder, muss ich dich daran erinnern, dass wir in Deutschland eine Gewaltenteilung haben? Die Justiz ist unabhängig. Politische Einflussnahme auf Prozesse ist weder erwünscht noch gestattet.«
    »Jetzt redest du dich heraus!« Von Hirschfeldt lachte bitter auf. »Als es um deine Versetzung ans Innenministerium nach Leipzig ging, war dir meine politische Einflussnahme keineswegs unangenehm.«
    Süshelms Kopf sank auf die Brust. Seine Haltung sagte mehr als tausend Worte.
    »Dass du dir gerade selbst deine Versetzung torpediert hast, dürfte dir bewusst sein, oder?«
    Keine Antwort.
    »Horst, wie lange kennen wir uns?«
    »Fast 30 Jahre.«
    »Weißt du noch, wie wir uns kennengelernt haben?«
    »Damals, als ich mit deinem Vater noch im Gemeinderat bei uns zu Hause aktiv war.«
    »Du wolltest ganz schön viel auf die Beine stellen.«
    »Ja, ich war damals genauso wie du heute.«
    »
Warst
du das?«
    Erneut blieb Süshelm eine Antwort schuldig.
    »Hat der Portugiese bei deiner Entscheidung nachgeholfen?«
    »Ich hoffe, du weißt, was du mir da unterstellst?«
    »Hat er dich unter Druck setzen lassen? Wurdest du erpresst? Bedroht?«
    »Nein, nichts dergleichen.« Sosehr Süshelm es auch zu verhindern versuchte, aus seinem Gesicht sprach das Gegenteil.
    Vielleicht war das die größte Enttäuschung: zu sehen, wie dieser einstmals aufrechte Mann innerlich zerbrach und nicht dagegen ankam. »Horst, wir können dir helfen. Du musst nur …«
    »Ich muss gar nichts«, unterbrach ihn der Richter schroff. »Ich muss mich nur an das Gesetz halten. Und das habe ich heute getan. Ich habe ihm Genüge getan. Das waren deine Worte. Vorhin im Radio.«
    Das reichte. Beim Hinausgehen knallte von Hirschfeldt die Tür hinter sich zu. Er hörte Akten zu Boden fallen und wünschte sich, Süshelm würde darunter begraben werden.
    Harenstett wartete noch immer auf dem Flur. Eigentlich herrschte in dem Gerichtsgebäude Rauchverbot, aber das beeindruckte den LKA-Beamten nicht. »Und?«, fragte er zwischen zwei tiefen Zügen.
    »Nichts. Er sagt, er wurde nicht beeinflusst. Aber das glaube ich ihm nicht. Da war was. Das spüre ich.«
    »Machen Sie dem Richter keinen Vorwurf. Was immer ihn zu der Entscheidung bewogen hat, am Ende steckt doch wieder Dossantos dahinter.«
    »Und was machen wir nun?«
    »Wir?« Harenstett trat den Stummel mit seinem Schuh aus und zündete sich sofort einen neuen Glimmstängel an. »
Wir
machen gar nichts.
Sie
müssen mit Ihrem Freund sprechen, dem künftigen Justizsenator. Sorgen Sie dafür, dass uns Dossantos nicht noch einmal an den Karren fährt.«

86
    Catharina Dossantos breitete die Zeitung vor sich auf dem Bett aus.
Ehrenbürger verhaftet!
Obwohl sie den Bericht mittlerweile schon mehrfach gelesen hatte, überflogen ihre Augen den Text ein weiteres Mal.
    Als sie damit fertig war, gab sie sich ihren Träumen hin. Erst von dem Hupen eines Autofahrers auf der Straße wurde sie aufgeschreckt. Sie erhob sich vom Bett,

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