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Gier (Ein Paul-Kalkbrenner-Thriller) (German Edition)

Gier (Ein Paul-Kalkbrenner-Thriller) (German Edition)

Titel: Gier (Ein Paul-Kalkbrenner-Thriller) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Krist
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»Sie
müssen
gegen Ihren Mann aussagen, um Ihr eigenes Leiden zu beenden. Oder wollen Sie auf ewig in Angst leben?«
    Natürlich hatten die beiden recht. Aber sie unterschätzten Miguel noch immer, nur Catharina wusste, welchen Einfluss ihr Mann tatsächlich besaß, wozu er fähig war, was er bereits alles angerichtet hatte. Gerade das war das Paradoxe: weil sie über diese Kenntnis verfügte, weil sie so detailliert Bescheid wusste über die Scheinbuchungen, die versteckten Kassen und den Bargeldhandel, über die Morde und die verborgenen Leichen, eben deshalb war sie die Einzige, die ihn hinter Schloss und Riegel bringen konnte.
    Es war wie eine Schlinge, die bereits eng um ihren Hals lag, ihr die Luft abschnürte, ihr aber noch gerade genug zum Atmen ließ, damit sie
überleben
konnte. Aber nicht leben.
    Sie griff nach einem Glas Wasser, doch es spülte die Beklemmung nicht fort. Sie atmete angestrengt. Sie brauchte Sauerstoff. Musste raus hier. Nachdenken. Einen klaren Kopf bekommen.
    »Warten Sie, wohin wollen Sie?«, rief Harenstett ihr hinterher.
    »Ich muss an die frische Luft.«
    »Ich komme mit«, sagte Kühne, der sich bisher ruhig verhalten hatte.
    »Lassen Sie mich allein«, fauchte Catharina ihn an.
    Mit dem Glas in der Hand verließ sie die Wohnung und rannte die Stufen hinab ins Erdgeschoss. Als sie auf die Straße trat, füllte sie ihre Lungen. Sie schmeckte die Abgase auf der Zunge. Das Rauschen der Avus dröhnte in ihren Ohren. Vielleicht war es aber auch nur der Kummer.
    Sie nahm einen weiteren Schluck Wasser. Jetzt schmeckte es ihr besser. Sie legte ihren Kopf in den Nacken. Die untergehende Sonne streichelte ihr Gesicht mit letzter Kraft, mit ein bisschen Wärme und Zärtlichkeit, wiegte sie in Sicherheit. Ein trügerisches Gefühl, dem sie sich nicht hingeben durfte.
    Ich habe immer nach etwas gesucht.
War es ein Irrtum gewesen, zu glauben, sie würde es finden? Sie hielt Ausschau nach einem Taxi. Nichts. Ein Stück die Straße rauf konnte sie eine U-Bahn-Station ausmachen. Sie könnte auf eigene Faust fliehen. Untertauchen. Weg von hier.
Lächerlich!
Niemals würde sie Miguel entkommen.
    »Hallo, Catharina!«
    Zwei Frauen saßen in einem unscheinbaren Wagen, der am Bordstein parkte, als hätten sie nur eine kurze Pause auf ihrem Weg quer durch die Stadt eingelegt. Doch Catharina wusste es besser. Sie hatte die Schwestern noch nie gesehen, aber sehr viel über sie und ihr Talent gehört, Aufträge schnell und ohne große Komplikationen auszuführen. »Ich sollte mich wohl geehrt fühlen, dass er euch beauftragt hat, oder?«
    »Zumindest bist du ihm einiges wert.«
    Die Wagentür sprang auf. »Kommst du?«
    Die Stimme der Frau war freundlich. Ein verlockendes Angebot. Als würden sie mit ihr zum Sightseeing durch Berlin fahren. Sie brauchte nur einzusteigen. Alle anderen Probleme würden sich wie von selbst erledigen. Sie würde zurück zu Miguel gebracht werden. Vielleicht kam es gar nicht so weit. Vermutlich starb sie, noch ehe sie die Avus erreicht hatten. Und für die, die sie danach fanden, würde es so aussehen, als habe sie es selbst getan.
Wie von selbst.
    Doch Catharina wollte nicht sterben. Sie wollte leben. Nur eben ohne ihren Mann, diesen Teufel. Endlich leben. Es gab nur eine Chance. Der Politiker hatte recht: Sie
musste
gegen Miguel aussagen, sie musste kämpfen für ihren Traum von Freiheit und Sicherheit.
    Blitzschnell drehte sie sich um, spurtete zum Haus zurück. Sie erreichte die Tür, öffnete sie, doch plötzlich stand eine der Schwestern neben ihr. Catharina holte mit dem Glas in ihrer Hand aus. Die Frau hieb ihr die Handkante in die Leiste. Der Schmerz war höllisch. Catharina schrie.

114
    Am Himmel blitzten Sterne. Der Mond schwebte über die Felder. In der Luft hing das Flirren eines warmen Spätsommerabends. Unter anderen Umständen hätte Kalkbrenner das Fenster des Passat runtergekurbelt, den Arm hinausgestreckt und sich den Fahrtwind ins Gesicht wehen lassen. Dazu hätte Musik von Deep Purple aus den Autoboxen gerockt. Doch die
anderen Umstände
lagen viele Jahre zurück.
    Er bog auf den Feldweg ein, das Auto rumpelte über die Brücke, und die Scheinwerfer durchbrachen die Dunkelheit der Lichtung. Durch die Fenster der Datsche erkannte er die gemütlichen Schatten, die das Kaminfeuer warf. Unter den mächtigen Pappeln wirkte das Gebäude heimelig. Aber es war nur eine Illusion. Er war nirgendwo zu Hause. Er hielt und ließ Bernie aus dem Kofferraum, der

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