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Gier (Ein Paul-Kalkbrenner-Thriller) (German Edition)

Gier (Ein Paul-Kalkbrenner-Thriller) (German Edition)

Titel: Gier (Ein Paul-Kalkbrenner-Thriller) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Krist
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war. Wenigstens hatte er ihr in diesen Situationen noch helfen können, auch wenn seine Hilfe nur darin bestand, sie zurück ins Heim zu fahren.
    Er fand keine Antwort auf die Frage. Nicht einmal die ansonsten so diensteifrigen Helferlein wussten Rat. Natürlich nicht. Sie halfen nur, wenn es um seinen Job ging. Im Privatleben versagten sie. Wie immer.
    Vielleicht hatte Ellen ja doch recht, und er hatte sich seiner Mutter einfach nur entledigt. Wenn er sie nicht ins Heim gebracht hätte, in dem sie sich so unwohl gefühlt hatte, wäre sie nicht geflüchtet. Sie wäre nicht in das Unwetter geraten und hätte sich keine Lungenentzündung eingefangen. Dann läge sie jetzt nicht auf der Intensivstation.
    Ihr Brustkorb hob und senkte sich nicht mehr. Als ob er einen elektrischen Schlag bekommen hätte, richtete er sich auf.
    Sie ist tot.
    Als hätte sie seine Gedanken gehört, öffneten sich ihre Augen. Sie schüttelte den Kopf. Nur eine einfache, aber beruhigende Geste. Es war noch nicht so weit.
    Er war hin- und hergerissen zwischen Entsetzen und Freude. Die leisen Töne und Signale machten sich unaufhörlich mit einer diskreten Deutlichkeit bemerkbar, sie waren beinahe melodisch.
    Kaum vernehmbar begann sie zu sprechen. »Paul …«
    Sie hob den Kopf so weit, wie es die Schläuche erlaubten. Ihre Stimme gewann an Kraft: »Dann doch lieber …«, ihre Kehle gab einen gurgelnden Laut von sich, »… ins Heim.« Ermattet sank sie auf das Kissen zurück. Er wagte nicht, daran zu denken, wie viel Kraft und Schmerz sie diese Worte gekostet haben mussten.
    Dass die Demenz ihr ausgerechnet im Angesicht des Todes einen Moment der Klarheit schenkte, war Ironie des Schicksals. Traurig. Oder einfach nur grausam.
    Käthe Maria hob ihre Hand. Er griff danach, drückte sie, nicht fest, ganz zärtlich, weil er Angst hatte, die Knochen ihrer dürren Finger könnten zerbrechen.
    »Pass auf dich auf, mein Junge«, sagte Käthe Maria.
    Sie schloss die Augen wieder. Ihr Kopf sackte zur Seite, ihre dünnen Finger fielen zurück auf die Matratze. Nur an den Geräten war abzulesen, dass sie noch lebte. Er glaubte sogar, ein Lächeln auf ihren Lippen erkennen zu können. Aber das mochte nur eine Täuschung sein.

113
    »Catharina?«
    Sie reagierte nicht auf Sinas Ruf. Sie wollte das Bett in ihrem Zimmer nie mehr verlassen. Nie mehr. Natürlich war das unmöglich. Irgendwann würde sie gehen müssen. Für den nächsten Zeugen Platz machen, den man hier vorübergehend in Sicherheit bringen musste.
    »Da möchte dich jemand sprechen. Es ist der Politiker.«
    Catharina überlegte, ob sie sich im Badezimmerspiegel noch ihr Haar richten sollte, verspürte aber keinerlei Lust dazu. Sie folgte ihrer Freundin ins Wohnzimmer.
    Den Mann, der neben dem Beamten Ludwig Harenstett stand, erkannte sie sofort. Vor allem seine hellen, durchdringenden Augen waren ihr bereits mehrfach im Fernsehen aufgefallen. Zuletzt am gestrigen Dienstagmorgen, als er sein solariumgebräuntes Gesicht vor die Kameras gehalten und stolz verkündet hatte, mit Gewalt, Drogenhandel und Prostitution sei nun endgültig Schluss.
    Dabei hatte er eine Überheblichkeit zur Schau getragen, die Catharina beängstigend bekannt vorgekommen war. Sie hatte sich in ihrem Zimmer verkrochen, war in ihr Buch geflüchtet, in das Märchen vom kleinen Mädchen, das davon träumte, endlich das zu finden, wonach es suchte. Doch Catharina war eine erwachsene Frau, die wusste, dass Träume niemals Realität wurden. Nicht mit einem Mann wie Miguel.
    »Ich bin Frieder von Hirschfeldt«, sagte der Politiker. »Ich wollte Ihnen für Ihren Mut danken.«
    »Schickt man Sie, um mich zu überreden?«
    »Nein, niemand schickt mich.« Es klang überzeugend. Aber dafür war er auch Politiker. »Es muss ein schwieriger Schritt für Sie sein, gegen den eigenen Mann auszusagen?«
    »Wenn es überhaupt noch so weit kommt.«
    Er hob beschwichtigend die Hände. »Ich möchte Ihnen versichern, dass diese Sache nur ein unangenehmer Zwischenfall ist. Es wird nicht lange dauern, dann wird Ihr Gatte wieder ins Gefängnis müssen.«
    »Versprechen Sie mir das?«
    Jetzt nickte er heftig. »Auf jeden Fall. Ich werde alles daransetzen, dass er diesmal niemanden findet, den er bestechen kann. Er wird sich für seine Taten verantworten müssen. Vorausgesetzt natürlich, Sie sagen gegen ihn aus. Wir können Ihnen nur helfen, wenn Sie sich selbst helfen.«
    »Sie haben keine andere Wahl«, pflichtete ihm Harenstett bei.

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