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Gier (Ein Paul-Kalkbrenner-Thriller) (German Edition)

Gier (Ein Paul-Kalkbrenner-Thriller) (German Edition)

Titel: Gier (Ein Paul-Kalkbrenner-Thriller) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Krist
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deine Empfehlung. Aber deshalb brauchst du ihn nicht in Schutz zu nehmen.«
    »Es ist nur …«
    Mit einer herrischen Handbewegung brachte Dossantos seinen Anwalt zum Schweigen. »Wie viel?«
    »30 Millionen.«
    Hitze loderte plötzlich in Dossantos auf. Er wollte sich von ihr nicht verzehren lassen, kämpfte dagegen an. »Wollte David nicht in den Urlaub?«
    Boccachi war kaum zu verstehen, so leise sprach er. »Für vier Wochen.«
    »Ist er schon auf und davon?«
    »Nein, er ist noch zu Hause. Ich habe ihn vorhin angerufen.«
    Dossantos rieb sich die Ohren. Diesmal hatte er sich wirklich getäuscht. »Du hast ihn angerufen?«
    »Nur eine belanglose Frage. Nichts, was seine Aufmerksamkeit erregt hätte.«
    »Das hoffe ich für dich.«
    »Miguel, was soll das schon wieder?«
    Der Portugiese stand auf und trat ans Fenster. Die Blumenbeete versanken in der Finsternis, die über die Wiese kroch, das Haus ergriff und auf ihn einstürmte. Mit ihr zerrten tausend Gedanken an ihm. Es fiel ihm schwer, sich auf einen davon zu konzentrieren. Erneut verlangte es ihn nach einer Prise Koks. Er brauchte einen klaren Kopf. Mehr denn je. »Die Frage ist doch wohl eher: Hat David meinen Sohn auf dem Gewissen?«
    Claudio blieb eine Antwort schuldig.
    »Er war am Sonntag im
Hermano
«, erinnerte sich Dossantos, bemüht, die verhängnisvollen Ereignisse dieses Tages zu rekapitulieren. »Er war dabei, als die Russen kamen. Er hat den Hinterausgang benutzt. Und Samuel wollte zuvor mit mir reden. Er hat David komisch angesehen … Ich habe dem keine Bedeutung beigemessen, aber jetzt …«
    »Was hast du vor?«
    »Mein zweites und letztes Problem lösen.«

112
    Kalkbrenner fing den diensthabenden Stationsarzt Dr. Pliska auf dem Flur der Intensivstation ab. Er hoffte auf positive Nachrichten, wenigstens an diesem Ort.
Doch der gestresste grauhaarige Mann zeigte nur einstudierte Anteilnahme. »Der Zustand Ihrer Mutter hat sich verschlechtert.«
    »Wie schlimm ist es?«
    Der Arzt rieb sich die Augen. Die Ränder hatten sich gegenüber ihrem letzten Aufeinandertreffen noch verdunkelt. Wahrscheinlich 24-Stunden-Schicht. »Wir haben einen Lungenabszess bei ihr feststellen müssen, eine direkte Komplikation als Reaktion auf die Lungenentzündung. Sie hat Fieber, Thoraxschmerzen, Husten und leidet unter Atemnot.«
    »Können Sie etwas dagegen tun?«
    »Sie bekommt Antibiotika. Aber die Lungenentzündung, der Herzinfarkt, jetzt der Abszess. Ihr Körper ist sehr geschwächt.« Dr. Pliska legte ihm seine kraftlose Hand auf den Arm. »Es tut mir leid. Es sieht nicht gut aus.«
    Kalkbrenner öffnete die Tür zum Zimmer seiner Mutter. Der Raum lag im Halbdunkel. Nur die Signalleuchten der Instrumente blinkten grün und rot. Die Lichter weckten eine irritierende Assoziation zum
Apollo
, an die grelle Neonschrift.
Love & Emotion. Krankheit & Tod.
    Langsam näherte sich Kalkbrenner dem Bett. Der Weißkittel hatte nicht gelogen. Nein, er hatte sogar untertrieben. Sie sah gar nicht gut aus. Mit den eingefallenen Wangen und der wächsernen Haut war Käthe Maria nur noch ein Schatten ihrer selbst. Ihr Körper war ausgemergelt und dürr.
    Zwischen den unzähligen medizinischen Geräten, an die sie angeschlossen war, drohte sie zu verschwinden. Aus aufgehängten Plastikbeuteln floss eine klare Flüssigkeit durch Schläuche, die sich in ihren Arm gruben. Ein rot glimmendes Lämpchen war an ihrem rechten Zeigefinger befestigt.
    »Mama«, sagte er leise.
    Doch die Frau hatte nichts mehr gemein mit jener Mutter, an deren Seite er aufgewachsen war. Die ihm erklärt hatte, wie man Zahnschmerzen mit Rosmarinblättern heilte. Die ihn ausgeschimpft hatte, weil er nachts durch die Westberliner Discotheken gestreunert und erst am frühen Morgen heimgekehrt war. Die mit ihm gelitten hatte, als seine erste Liebe zerbrochen war. Die Jessy wenige Stunden nach ihrer Geburt gewickelt hatte.
    Nein,
dachte er. Käthe Maria hinterließ mehr als nur ein paar lausige Fotos. Er verspürte innige Zuneigung, die ihn zu überwältigen drohte. Liebe und Gefühle, die mit keinem Geld der Welt zu kaufen waren
.
    »Mama«, wiederholte er.
    Er war sich nicht sicher, was schlimmer war: dass er sie so sah, wie sie endgültig dem Tod entgegensiechte, ohne etwas dagegen tun zu können, oder dass er sie alle paar Tage vor ihrer alten Wohnung hatte abholen müssen, wo sie mit Tränen in den Augen gestanden hatte, weil sie nicht begreifen konnte, warum eine fremde Familie in ihre Zimmer eingezogen

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