Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
GIERIGE BESTIE

GIERIGE BESTIE

Titel: GIERIGE BESTIE Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Müller
Vom Netzwerk:
sondern untergeht und selbst bei der anfänglichen Strömung der Rhône sich nicht ein bisschen bewegte, als meine eigene kleine Erklärung. Ich nahm diese kleine Beobachtung zum Anlass, über das Gewicht des Auftrages nachzudenken.
    Ello Dox war gerade dabei, eine Lebensbeichte abzulegen und irgendwann musste ich ihm sagen: „Gut, ich hab’s verstanden und jetzt geben Sie mir die Daten und lassen sich vom Staatsanwalt für schwere Vergehen und Verbrechen in den Kerker stecken.“ Was für ein Auftrag!
    „Die erste Geburt war extrem schwierig und aufgrund der Vorgeschichte meiner Frau konnte man medizinisch nicht adäquate Hilfestellung leisten. Aber schlussendlich brachte sie ein gesundes Knäblein zur Welt ... “ – Ich hatte das Gefühl, es lag ein bisschen Wehmut in seiner Stimme, ich konnte ihn fast nicht mehr ansehen – „... und wir erholten uns alle recht gut. Aber das brauchte Zeit und die hatte ich jetzt in der Institution nicht mehr. Der einzige Ansprechpartner, den ich hatte, war der Personalchef, den Sie sicher kennen gelernt haben, der zum damaligen Zeitpunkt ja selbst unter Druck stand. Sagen Sie mir eines, wie viel kostet es eigentlich, jemand anderem zu sagen, dass man sich wirklich für ihn freut?“
    Ich konnte seine Frage nicht einordnen und entschloss mich, lieber nichts zu sagen. „Wissen Sie“, fuhr er weiter fort, „Sie werden heute Abend keinen Namen von mir hören. Ich bin nicht hier, um anzuklagen, auch nicht, um meine Handlung zu verteidigen. Ich bin hier, um etwas klarzustellen.
    Ich habe nicht begonnen und wenn irgendjemand der Meinung ist, nur ein stehlender und Urkunden unterdrückender Ello Dox ist ein veritabler Grenzfall, weil er mit gewissen Situationen nicht zurechtkam, dann möchte ich Ihnen heute sagen, das ist ein Irrtum. Sie haben in Ihrem Kapitel 46 natürlich nicht übertrieben, Herr Doktor Müller, Sie haben es zu sanft dargestellt, und wissen Sie, wer schuld daran ist?“, fragte er mich stirnrunzelnd.
    Ein kleiner Spatz, der auf der Brücke gesessen wäre, um eine Brotkrume zu picken, hätte wahrscheinlich mehr Lärm gemacht als ich. Ich bewegte mich nämlich nicht einmal mehr, runzelte nur die Stirn und hob meine Augenbrauen etwas nach oben, um damit zum Ausdruck zu bringen, er möge mit seinem Plädoyer fortfahren, denn ich wüsste keine Antwort darauf.
    „Beide Seiten. Diejenigen, die glauben, Funktionen bekleiden zu können in der vollkommenen Fehleinschätzung ihrer Fähigkeiten, die sich durch Protektion oder durch auf irgendwelchen Universitäten erreichte zertifizierte Fähigkeiten bemüßigt fühlen, das Rad neu zu erfinden, und jene, die im Glauben, der Institution etwas Gutes zu tun, ohne gewisse andere Variablen zu hinterfragen, diese Leute einstellen. Wenn Sie meinen, dass Sie Erfolg nur in Zahlen darstellen können, sage ich Ihnen als alter Computertechniker: Es ist nichts leichter zu fälschen als Zahlen.“
    So sehr er mir auch vor etwas mehr als zwei Stunden mit seiner ständigen Machtdemonstration und dem Besitz der Daten und Informationen auf die Nerven gegangen war, umso mehr erkannte ich jetzt, dass das Eis, auf dem ich stand, immer dünner wurde.
    Gott sei Dank veränderte er alleine von sich aus die Stimmlage, denn seine monotone, einlullende Geräuschkulisse, untermalt mit farbenprächtigen Rauchschwaden, die jedes Wort einhüllten, wie bunt bedrucktes Weihnachtspapier, hatte etwas gefährlich Manipulatorisches an sich. Er ergänzte seine Geschichte damit, dass er versuchte, seine Arbeit so gut wie möglich zu erledigen, aber sehr wohl langsam aber sicher darüber nachdachte, wie lang ein Arbeitstag war. Regeln, die die anderen aufgestellt hatten, zu seinem eigenen Nutzen zu interpretieren und mehr Zeit bei Frau und Kind zu verbringen.
    Die zweite Geburt endete in einem Desaster. Die Frau verstarb noch im Kreißsaal und das neugeborene Kind fünf Tage später an einem nicht erkannten Herzklappenfehler. Drei Wochen vorher hatte man noch die Gangart verschärft und ich glaubte mich zu erinnern, dass er das Beispiel von den erhöhten Trommelschlägen auf einer römischen Galeere verwendete, um mir sehr eindrucksvoll darzulegen, dass all jene, die versuchten, innerhalb des Gebäudes die Richtung beizubehalten und teilweise unter vielen Entbehrungen mit dem neuen Takt Schritt zu halten, langsam aber sicher Ausfallserscheinungen bekamen. Er erzählte von Frauen mit Hautausschlägen, vorgefallenen Bandscheiben, Magendurchbrüchen, von

Weitere Kostenlose Bücher