Gifthauch
bemerkte, wie er sich anstrengte, stark zu sein, ein Mann zu sein. Doch das war er längst, das begriff sie nun.
Er sagte: »Ich wollte, dass er mir –«
Sie nahm Michaels Hand. »Ich werde dir von deinem Vater erzählen. Es ist längst Zeit dafür. Ich erzähle dir alles, was du willst.«
Epilog
21.23 Uhr
Derek Stillwater schlug die Augen auf. Er fühlte sich miserabel. Er spürte jeden Knochen im Leib, und alles pochte. Er konnte kaum etwas sehen. Sarin beeinträchtigt die Sehkraft und verursacht Miosis, Pupillenverengung. Alles wirkte zu dunkel, obwohl in dem Raum, bei dem es sich offensichtlich um ein Krankenhauszimmer handelte, mehrere Lampen brannten.
Als er den Kopf drehte, sah er General James Johnston, der neben seinem Bett saß.
Johnston blickte von einem Bericht auf, in dem er gerade las. »Hallo, Derek.«
»Also bin ich gestorben und in die Hölle gekommen.«
Johnston grunzte. Vielleicht war es als Lachen gemeint. »Sie leben, mein Freund. Vielleicht gerade noch so eben, aber Zoelig konnte Ihnen Atropin und noch das eine oder andere spritzen und Sie hierher bringen.«
»Wo ist denn hier?«
»William Beaumont Hospital.«
Derek schloss die Augen. Er wusste nicht, wie er hierher gekommen war. Vage entsann er sich an Schüsse und dass Jill aufgetaucht war. Er entsann sich auch, ihr den Atropin-Pen gereicht zu haben. Danach fehlte ihm jede Erinnerung.
»Die Aum ist wieder da«, sagte er.
Johnston nickte. »Scheint so.«
»Kevin Matsumoto könnte der Sohn von Shoko Asahara sein. Wir müssen mit den Japanern reden …«
»Habe ich schon.« Johnston hob den Bericht. »Mein japanisches Gegenstück hat mir das hier sofort gefaxt. Da, sehen Sie sich das an.« Er reichte Derek ein Foto. Es zeigte Kevin Matsumoto und eine Japanerin in einer Bar.
Derek bemühte sich, scharf zu stellen. Die Unterschrift lautete: Rika Matsumoto und Kevin Matsumoto (Amerikaner). Zengenjimachi, Miyakojima-ku, Osaka. Datiert war es sechs Monate zuvor.
»Das ist Rika? Das Oberhaupt von Aleph?«
»Ja«, bestätigte Johnston, »die verehrte Tochter von Shoko Asahara. Man hat mir sogar eine Abschrift eines Teils ihres Gesprächs geschickt. Die ganze Unterhaltung hat man leider nicht abhören können. Sie wissen, dass die japanische Nationalpolizei den harten Kern der Omu Shinrikyo, soweit er nicht inhaftiert ist, rund um die Uhr überwacht.«
»Seit zehn Jahren. Ich dachte, das hört bald auf.«
Johnston zuckte mit den Schultern. »Ich bezweifle, dass es je aufhört. Hier, möchten Sie es lesen?«
»Ich sehe im Moment nicht so toll. Was steht da?«
Johnston warf einen Blick auf den Bericht. »Sie besteht darauf, dass ihr Vater ihrer Mutter immer treu gewesen sei, und bestreitet, dass Kevin ihr Halbbruder sein könne. Er sagt, ein DNA-Test werde es beweisen. Sie erwidert, dass er gern Aleph beitreten könne, aber er sei kein Sohn von Shoko Asahara und habe kein Recht, Anführer zu sein; das sei ihr Geburtsrecht. Daraufhin wird Kevin wütend und sagt ihr, er werde beweisen, dass er der rechtmäßige Anführer der Omu Shinrikyo sei, er steht auf und marschiert aus der Bar.«
»Nett, dass die Japaner uns das hinterher mitteilen.«
Johnston nickte. »Hinterher ist jeder schlauer. So viel zu internationaler Zusammenarbeit.«
»Denen ist nie der Gedanke gekommen, dass ein Biochemiedoktorand, der sich für den rechtmäßigen Anführer der Aum-Sekte hält, irgendeine Schweinerei planen könnte?«
»Sakamoto Tsutsumi, mein Kontaktmann in Japan, versichert mir, dass sie es irgendwann dem FBI oder mir mitgeteilt hätten.«
Derek schloss die Augen und ächzte. So ein Bockmist. Jäh wandte er sich wieder Johnston zu. »Hat Michael überlebt?«
»Ja. Er wird wieder gesund. Ihm geht es momentan besser als Ihnen.«
»Mutiger Junge. Schlägt seinem Vater nach.«
»Ich habe gehört, dass Sie ihn gekannt haben.«
Derek nickte. »Ein guter Mann. Und Jill ist eine gute Agentin. Sie hat Mut. Und das Zeug, selbstständig zu denken. Ich freue mich schon, beide wiederzusehen.«
Johnston stand auf und sah Derek an. »Das muss vielleicht eine Weile warten. Offiziell sind Sie tot.«
Derek stöhnte. »Oh je. Ich bin doch in der Hölle. Was machen Sie hier? Wie lange sind Sie eigentlich schon hier?«
»Ich bin um halb neun angekommen. Ich bin so schnell aufgebrochen, wie ich konnte, nachdem ich einen verstörenden Telefonanruf von einer FBI-Beamtin namens Simona Toreanno erhalten habe. Aber das ist nicht das, was ich Ihnen im Augenblick
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