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Giftiges Grün

Giftiges Grün

Titel: Giftiges Grün Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elsemarie Maletzke
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Karl.
    »Es gab richtigen französischen Champagner und immer einen Lachs, und außer diesem Herrn Stutz waren noch mehr schicke Herren da; Damen natürlich auch, meistens Bekannte von Rose, denn die Weils trugen ja die Nase sehr hoch und wollten sie nicht besuchen. Es war doch eine wilde Ehe.«
    Tante Tilly hatte keine Vorurteile, sie fuhr trotz der familiären Missbilligung hin. Nicht für sechs Wochen und sie brachte auch keinen Bohnenkaffee mit, den hatten sie dort selbst, aber sie wurde immer sehr liebenswürdig empfangen. Es gab einen Tennisplatz, einen herrlichen Blumengarten und die Bibliothek. Sie hob die Hand und wies beredt auf ihre wenigen Bücher im Regal.
    »Und Marion?«
    »Ach, die war im Grund ein ganz armes Kind. Rose behauptete, sie sei ein Hausgast, aber ich glaube, dass sie in Wirklichkeit ihre Tochter war. Vielleicht ging da auch nicht alles mit rechten Dingen zu. Das Mädchen hat jedenfalls versucht, diesen Ehemann wieder mit Rose zusammenzubringen, wie Kinder eben so sind; der Mutter in den Ohren gelegen. Dieser Monsieur war deshalb auch auf dem Fest. Wie hieß er doch gleich? Er trug als Einziger einen weißen Smoking, keine vorteilhafte Erscheinung, hielt sich eher in den hinteren Räumlichkeiten auf. Na, ich komm noch auf den Namen. Der hat sich, glaube ich, nicht so gut amüsiert und ist auch bald wieder verschwunden, jedenfalls lange bevor das Drama losging.« Sie schabte langsam mit der Handkante die Kuchenkrümel von der Tischdecke in ihre aufgehaltene Linke und streute sie dann geistesabwesend auf den Teppich.
    »So ein junges Mädchen will doch selbst Freunde haben und nicht immer nur mit den alten Leuten in diesem großen Haus zusammen sein. Wir waren ja auch erst um die vierzig, aber ihr müssen wir uralt vorgekommen sein, und Rose, die ständig mit ihrem guten Benimm hinter ihr her war.«
    Tante Tilly, so hörte Karl, kleidete sich gern flott und Marion lieh sich manchmal ein Kleid von ihr, vielleicht weil sie ein bisschen älter aussehen wollte, so wie Tilly sich Sachen von Marion ausborgte, die sie sich niemals gekauft hätte, weil sie vielleicht ein wenig zu kess für eine Witwe um die vierzig waren. Auch für das Fest hatte Tilly Marion ein Kleid gegeben; Crêpe de Chine mit roten Blumen. Sie waren beide klein und zierlich und hatten dieselbe Größe. Einmal, erinnerte sich die Tante, unternahmen sie zusammen einen Ausflug in die Stadt. Marion hatte sie so lieb darum gebeten. »Konditorei Wahl; berühmt für ihren Bienenstich.« Wie fröhlich sie danach wieder zurückfuhren! Das arme Kind sei ja so selten mal rausgekommen. Niemand im Haus hätte sich um sie gekümmert. »Nur einen Freund hatte sie, das war der Gärtnerbursche. Verstehst du, das war schon fast ein Mann.« Tante Tilly machte eine Pause, damit diese Auskunft mit all ihren möglichen Konsequenzen einsinken konnte. »Das war übrigens derselbe, der sie am Morgen nach dem Fest im Schwimmbassin gefunden hat. Ich weiß noch genau, wie er barfuß und in seinem klatschnassen Kellnerfrack, oder das, was davon übrig war, ins Haus kam, und ich dachte zuerst, du liebe Zeit, der ist hinüber, den braucht man nicht mehr aufzubügeln. Ja, das war mein erster Gedanke, wie dumm von mir! Bis er den Mund aufgemacht und kaum rausgebracht hat, was los war. Wie es ihn geschüttelt hat! Und das arme Mädchen – nein, ich habe sie nicht mehr gesehen. Sie haben sie eingepackt und mitgenommen. Heinrich war der Letzte, der … Er ist mit der Polizei … Ich bin danach nie wieder in Buchfinkenschlag gewesen. Weißt du, ob das Haus noch steht? Und was aus Rose geworden ist?«
    Karl wusste es nicht. Behutsam steuerte er Tante Tilly wieder zum Thema zurück. Wie hatte sie das Unglück erlebt?
    »Du meinst, warum Marion weggegangen ist? Ganz einfach, sie hat sich gelangweilt. Sie wollte ja nicht mal mit Heinrich tanzen. Das war eben keine Party, wie die jungen Leute sie veranstaltet haben, sondern ein Ball mit allen Schikanen und Musik, auf die man richtig tanzen konnte – Foxtrott und Walzer und Quickstep!« Ihre Stimme brach und sie musste einen Krümel aus der Kehle räuspern.
    »Als sie auf einmal verschwunden ist, waren wir alle froh, denn jemand, der nur bockig rumsteht und den anderen den Spaß verdirbt, auf den kann man ja ganz gut verzichten, nicht wahr? Ach, das arme Kind! Als es dann immer später wurde, haben wir uns doch Sorgen gemacht und sie gesucht. Alle Gäste sind im Park ausgeschwärmt und haben nach ihr gerufen. Nur

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