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Giftkuss

Giftkuss

Titel: Giftkuss Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Zara Kavka
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Mutter setzte sich auf die Bettkante und strich ihr über den Rücken. »Meinst du wirklich, dass du heute in die Schule gehen willst?«
    In die Schule, mein Gott, heute ist Montag und ein ganz normaler Schultag. Ohne Anja. Wie soll das funktionieren?
    »Ja, ich gehe auf jeden Fall«, nuschelte Cleo. Sich den ganzen Tag hier aufzuhalten, war keine Alternative.
    »Soll ich dich bringen?«
    Cleo schüttelte den Kopf, der daraufhin heftig wehtat. Bis mindestens 2 Uhr hatte sie mit Miri und Robert telefoniert. Die hatten sich gestern alle zum Physiklernen getroffen. Ein Fach, das Cleo längst nicht mehr belegte. Niemand hatte sie ausgeschlossen oder gar vergessen. Sie fühlte einen Kloß im Hals. Nach den Telefonaten hatte sie sich den Rest der Nacht mit Vorwürfen und schrecklichen Bildern rumgeschlagen. Vorwürfen sich selbst gegenüber, weil sie eifersüchtig wegen Nichtigkeiten war. Und Bilder von Anja in einem Grab, einem Sarg…
    Wie soll ich die Schule heute überstehen?
    »Ich rufe in der Schule an und entschuldige dich, ja?«
    »Nein, ich will gehen«, antwortete Cleo der Wand.
    »Meinst du wirklich?«
    Bitte, Mama, BITTE, geh einfach.
    »Gut, dann mache ich dir jetzt Frühstück, ja?«
    »Ja.«
    Ihre Mutter verließ das Zimmer. Draußen flüsterte sie mit ihrem Vater, Cleo verstand aber kein Wort. Papa kam nicht rein, obwohl sie sich bei ihm sogar gefreut hätte. Er ließ sie meistens in Ruhe, bei ihm konnte sie sein, wie sie war.
    Sie musste bei Facebook nachschauen, ob Wolff schon reagiert hatte. Und sie musste unbedingt mit Katharina sprechen und sich mit ihr verabreden. Stöhnend stellte sie einen Fuß nach dem anderen auf den Boden und setzte sich hin. Sie nahm ihr Handy.
    Wann stand Katharina noch mal auf? Sie hatten sich doch gestern auf der Busfahrt jeweils ihren Tagesablauf erzählt. Verdammt! Hatte sie wieder nur an sich selbst gedacht? Sie erinnerte sich, wie sie bei Katharinas Schilderungen tatsächlich abgeschaltet und sich vorgestellt hatte, wie sie wohl allein mit ihrer Mutter leben würde, wenn diese ein Pflegefall wäre. Zuhören war danach nicht mehr möglich gewesen. Sie rollte sich wieder auf dem Bett zusammen und zog das Laken über sich.
    Wie wird man ein anderer Mensch?
    In dem Moment klingelte ihr Handy. Die Nummer war unterdrückt.
    »Hallo?«
    »Hi, ich bin’s, Katharina.«
    Cleo freute sich, ihre Stimme zu hören.
    »Oh, hallo, ich wollte dich auch gerade anrufen.«
    »Ich weiß ja, dass du erst um 7 Uhr aufstehst, deshalb hab ich bis jetzt gewartet. Hast du schon auf Facebook geschaut?«
    »Nee, bin grad erst aufgewacht. Du?«
    »Ja, er hat nichts kommentiert.«
    Cleo hätte Katharina gerne gefragt, was sie heute machte, traute sich aber nicht, weil sie es ihr gestern bestimmt erzählt hatte.
    »Du hast heute bis 13 Uhr Schule, oder?«
    Na prima, Katharina hatte sich alles gemerkt, sie war wie Anja. Und was war sie? Eine egozentrische Egozentrikerin!
    »Cleo?«
    »Ja, sorry, ich bin noch dran. Die Schule geht bis eins, stimmt.« Sie rollte sich aus dem Bett und holte ihre Sachen aus dem Schrank.
    »Was machst du danach?«
    »Wollen wir uns treffen?«
    »Ja, gerne.« Katharina freute sich wirklich. Cleo hörte es an ihrer Stimme.
    »Wieder im Industriegebiet?«
    »Okay, ich bin da.«
    »Ich freu mich.«
    Sie legte auf und ging ins Bad. Zum Duschen war heute keine Zeit mehr, also machte sie nur Katzenwäsche mit Deo und ein bisschen Schminke. Dabei musste sie an Katharina denken. Sie wirkte so einsam, hatte nur ihre Mutter – und jetzt sie. Irgendwann würde sie Katharina fragen, warum ihre Mutter ein Pflegefall war und warum sie sich um sie kümmerte und nicht eine Krankenschwester oder so. Was würde Anja wohl sagen, dass sie jetzt so viel Kontakt zu Katharina hatte? Früher hatten Anja und sie auch oft vor der Schule telefoniert.
    Früher. Was für ein Wort.
    Sie ging zurück in ihr Zimmer und schnappte sich ihre ungepackte Tasche. Heute war es egal, was sie dabeihatte, sie würde sich eh nicht konzentrieren können. Als hätte sie Blei unter den Füßen, schleppte sie sich zur Haustür.
    »Schatz, ich hab dir einen Nutellatoast gemacht. Iss das doch bitte, bevor du gehst«, rief ihre Mutter aus der Küche, als Cleo gerade unbemerkt aus der Haustür verschwinden wollte.
    »Mütter können durch Wände sehen«, hatte sie früher immer gesagt, erinnerte sich Cleo. Aus irgendeinem Grund rührte sie das in diesem Moment und sie ging in die Küche, um ihren Toast zu essen und das

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