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Giftkuss

Giftkuss

Titel: Giftkuss Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Zara Kavka
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liebevoll vorbereitete Esspaket in Empfang zu nehmen. Ob Katharina von ihrer Mutter früher ein Brot mit in die Schule bekommen hatte? Bestimmt nicht, so wie sie die Beziehung zu ihrer Mutter bisher geschildert hatte.
    »Tschüss, Mama«, sagte sie, als sie fertig war und ihr Brot in die Tasche gepackt hatte.
    »Tschüss, mein Kind. Pass auf dich auf.«

17. Kapitel
    Sie entschied sich für das Fahrrad und gegen den Bus aus Angst vor dem leeren Platz, der neben ihr gewesen wäre. Es war ein warmer Sommermorgen und der Fahrtwind tat ihr gut. Überall lauerten Erinnerungen. Hier, an der Ecke zur Mozartstraße, hatte sie neulich erst lange mit Anja gestanden, weil ihre Kette aus dem Fahrrad gesprungen war. Mit pechschwarzen Händen waren sie zu spät in der Schule angekommen und hatten einen Verweis kassiert, weil ihnen der blöde Baiersdorfer nicht geglaubt hatte. Cleo fuhr an den Häuserblöcken der ehemaligen Amisiedlung vorbei, wo mittlerweile sozial schwache Familien lebten. »Hier werde ich später mal arbeiten«, hatte Anja immer gesagt. Sie wollte Sozialarbeiterin werden und sie hätte ihre Sache gut gemacht.
    Je näher Cleo der Schule kam, umso belebter wurde die Straße. Die Vorstellung, dass für die Menschen hinter all diesen Hecken und Mauern gerade ein ganz normaler Tag begann, war so unwirklich! Noch dazu schien es einer dieser unbeschwerten Sommertage zu werden, keine Wolke am Himmel, nur leuchtendes Blau.
    Am Fuß der Treppe, die zum Schulgelände führte, sah Cleo Miri auf der Mauer sitzen und eine Zigarette rauchen. Diese riesige Sonnenbrille hatte Cleo noch nie an ihr gesehen. Sie schloss ihr Fahrrad ab und stellte sich direkt vor sie.
    »Hi.«
    Miri schreckte zusammen. Sie hatte Cleo nicht kommen sehen, weil sie die ganze Zeit auf den Boden geschaut hatte. Jetzt blickte sie zu Cleo hoch.
    »Guten Morgen.«
    Ihre Sonnenbrille ließ sie auf, wahrscheinlich hatte sie nach dem Telefonat den Rest der Nacht geweint. Miri trat ihre Zigarette aus und umarmte Cleo wortlos. Sie weinte auch jetzt.
    »Komm, wir gehen hoch«, sagte Cleo und befreite sich aus der Umarmung. Sie wollte sie nicht trösten… nein, sie konnte nicht.
    »Gibt’s was Neues?«, fragte Miri und Cleos Magen zog sich zusammen. Sie hatte es schon bei den Telefonaten schwierig gefunden, nichts von der Facebook-Sache zu erzählen, und nun musste sie ihre Freunde die ganze Zeit anlügen, Katharina zuliebe. Vielleicht wäre sie doch besser zu Hause geblieben.
    »Nein, keine Ahnung.«
    »Es ist alles so schrecklich! Hoffentlich war sie wenigstens schon tot, als man sie…«
    »Miri, hör bitte auf.«
    Sie gingen die letzten Stufen nach oben und befanden sich nun auf dem großen Schulhof, vor der Bibliothek und den kleinen Bungalows, die vor einigen Jahren gebaut worden waren, als die Schule aus allen Nähten platzte. Schüler standen herum, begrüßten einander, schrieben Hausaufgaben ab, ein ganz gewöhnlicher Morgen also. Doch Cleo hatte das Gefühl, dass sich aus allen Ecken des weitläufigen Geländes Augen auf sie richteten und die Gespräche verstummten. Mit Sicherheit hatte sich Anjas Tod schon in jedem Winkel der Stadt herumgesprochen. Hinten links, bei den Stufen zu den naturwissenschaftlichen Räumen, zeigte jetzt ein Schüler aus der Mittelstufe auf sie und alle drehten sich zu ihnen um. Vor der Tür zum Musikbungalow das Gleiche.
    »Die gucken alle«, sagte Miri, als sie quer über den Schulhof auf das Hauptgebäude zugingen. Seit Cleo beim letzten Musical die Hauptrolle gespielt hatte, war sie es gewohnt, dass alle auf sie zeigten und besonders die Kleineren tuschelnd zu ihr rüberglotzten. Doch diesmal fühlte es sich anders an, im Mittelpunkt zu stehen.
    Zum Glück kamen in dem Moment Robert und Ben auf sie zu. Sie sahen mitgenommen und besorgt aus. »Hallo, ihr zwei, wie geht’s?«
    Cleo nickte. Miri schniefte. Weiter sagten sie nichts, standen einfach nur da, die Hände in den Hosentaschen, und blickten auf den Boden. Und dann kamen sie von überallher: Lara, Ela, Inga, Jasmin, Jana, Sophie, viele aus der Musical-AG, die Jungs aus der Kunst-AG. Sie stellten sich zu ihnen, schauten mal zu Cleo, mal zu Miri, mal auf den Boden oder wechselten Blicke untereinander.
    Jana traute sich, eine Frage zu stellen: »Wie geht’s dir, Cleo?«
    »Na ja«, antwortete Cleo. Was sollte sie auch anderes sagen?
    Jetzt fragte auch Michi: »Weiß man denn schon, was passiert ist? Ich hab’s heute Morgen im Radio gehört, ich dachte ja echt, ich

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