Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Giftpilz

Giftpilz

Titel: Giftpilz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Alexander; Ummenhofer Rieckhoff
Vom Netzwerk:
Magen, der gewaltig zu rumoren
begann.
    Als sich dann auch das Gehör zurückmeldete, wusste er augenblicklich,
dass er nicht im anatolischen Himmel war. Denn das Kauderwelsch, das immer
deutlicher seine Gehörgänge flutete, war ein Mischmasch aus türkischem Akzent
und Schwarzwälder Dialekt.
    »Papa, musch du esse! Mama hät Börek g’macht. Musch du wieder zu
Kräfte komme’«, sagte jemand.
    Hummel blinzelte zögerlich und schlug die Augen auf. Keine Spur mehr
von seiner Familie, dafür hatte sich eine andere in beachtlicher Größe um das
Bett seines Zimmernachbarn geschart. Hubertus konnte nicht ausmachen, wer zur
Kinder-, Enkel- oder Geschwisterfraktion gehörte. Es waren so viele, dass
vermutlich auch noch Cousins und Cousinen gekommen waren. Und alle redeten
gewaltig durcheinander und bemühten sich nach Kräften, dem Familienoberhaupt
nach seinem Herzinfarkt beizustehen.
    Als der schmächtige Mann entdeckte, dass sein Zimmernachbar
aufgewacht war, hoffte er, einen dankbaren Abnehmer für das viele Essen
gefunden zu haben.
    »Meine Frau macht beschte Börek von de ganze Schwarzwalde – weisch?«
    Zum ersten Mal seit dem Vorfall im Garten kam ein leises Lächeln über
Hummels Lippen. Zum einen darüber, dass er offensichtlich noch am Leben war,
zum anderen über das türkische Schwarzwälderisch oder schwarzwälderische Türkisch.
    »Ha, jetzt lasset Sie den Mann doch erscht emol in Ruh wach werde«,
kam es schroff von der anderen Seite des Betts. »Sie sehet doch, dass er noch
ganz benomme isch. Do isch des deftige ausländische Esse erscht mol nit ’s
Richtige. Vielleicht e Zwiebäckle für de A’fang?« Der Mann zeigte auf eine halbleere
orangefarbene Packung mit dem strahlenden blonden Jungen auf seinem Nachttisch.
»Soll i nach de Schweschter klingle?«
    Mit Mühe und unter stechenden Kopfschmerzen wandte Hubertus sein
Gesicht nach rechts. Dort saß ein Mann um die siebzig, körperlich in etwa das
Gegenteil des Bettnachbarn zur Linken. Recht korpulent, Stirnglatze mit
Haarkranz. Gerötete Wangen, die entweder auf einen Naturburschen oder auf Bluthochdruck
schließen ließen.
    »Ihne isch’s geschtern aber gar nit guet gange’«, meinte er mit weit
aufgerissenen Augen und tiefen Stirnfalten, so als wollte er die Dramatik
seiner Erzählung mit einem grimmigen Minenspiel unterstreichen. »Sie sin wohl
em Tod grad no mol so vom Schipple g’schprunge.«
    Hubertus bemühte sich, eine Frage zu stellen. Doch ehe er den ersten
Ton überhaupt herausbrachte, hatte der Bettnachbar schon das Thema gewechselt.
Es ging zwar immer noch um medizinische Belange, aber nicht mehr um Hummel.
    »Bei mir isch’s jo so ähnlich g’wese. Mei Frau hät mich halbtot uf
em Speicher g’funde. I kann Ihne sage …«
    Also doch Bluthochdruck, dachte sich Hubertus.
    »Die Weißkittel hän mir de Stecker zoge. Wobei des au Pfuscher sin –
wie überall!«
    Hubertus dröhnte der Schädel. Er war kurz vor einer erneuten
Ohnmacht. Zum einen war es warm und stickig in dem kleinen Zimmer, was vermutlich
auch an den schätzungsweise fünfzehn Besuchern lag. Auch die anfangs verlockenden
Gewürze von Kreuzkümmel und Knoblauch sorgten mittlerweile für leichte
Übelkeit. Zum anderen fühlte er sich von den Wortschwällen überrollt.
    »Fascht en Herzinfarkt! Sofort hän sie mich vu Schönwald do her ins
Krankenhaus brocht …«
    Hubertus fielen die Augenlider halb zu, was den schwatzenden
Bettnachbarn aber nicht vom Weiterreden abhielt. Im Gegenteil: Er wurde noch
lauter.
    »En Katheter hän sie mir g’macht. Do hän sie mir so lange Röhrle in
d’ Leischte neig’schobbe bis zum Herz hin. Ratsch, ratsch, ratsch, hät’s
g’macht. I kann Ihne sage, de blanke Horror. Zumal, wenn mer’s so schlecht
macht wie seller Versager von Arzt …«
    Die Erzählungen des kernigen, aber offenbar auch etwas
hypochondrisch veranlagten Schwarzwälders regten Hubertus derart auf, dass das
Messgerät neben seinem Bett einen Ruhepuls von fünfundneunzig anzeigte. Er
fühlte, wie es in seiner Brust vibrierte und sein Herz immer wieder Sprünge
machte.
    Ganz ruhig, dachte sich Hubertus. Er war also in der kardiologischen
Abteilung, vermutlich im Zentralklinikum Villingen-Schwenningen. Opfer eines
Verbrechens war er offenbar nicht geworden.
    Hatte er womöglich einen Herzinfarkt erlitten? Wie sollte es dann
weitergehen? Und wieso lag er eigentlich in einem Dreibettzimmer? Hatte er als
Privatpatient nicht Anspruch auf ein Einzelzimmer?
    »Bypass

Weitere Kostenlose Bücher