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Giftweizen

Giftweizen

Titel: Giftweizen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heike Schroll
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Sicherheit nicht hätte beschreiben können. Aber vielleicht kannte sie den Täter auch und der wollte kein Risiko eingehen.
Doch trotz umfassenden Einsatzes aller Ressourcen, die der Polizei damals zur Verfügung standen, einschließlich der personellen Verstärkung aus der Bezirksstadt Magdeburg, hatte man keinen Täter ermitteln können. Die Frau war verheiratet und hatte drei schulpflichtige Kinder hinterlassen. Der Ermittlungsakte waren eine Zeitungsnotiz mit der Bitte um Mithilfe der Bevölkerung bei der Aufklärung der schweren Straftat beigeheftet, ebenso verschiedene Todesanzeigen. Die Deutsche Post betrauerte ihre zuverlässige Mitarbeiterin, die Volkssolidarität ein engagiertes, langjähriges Mitglied und ihre Familie eine gute Mutter und Ehefrau. Wie war es der Familie nach dieser Tragödie wohl ergangen?
Dem anderen Opfer in Laatzke, mit mehreren Prellungen, Brüchen und einer großen Kopfwunde aufgefunden, hatte man zwar das Leben retten können, der Mann konnte sich jedoch an nichts mehr erinnern, geschweige denn einen Täter benennen. Ungeklärt blieb auch, warum der Mann, der aus Letzlingen stammte, überhaupt in dieser Gegend unterwegs gewesen war. Man hatte ihn in der Nähe der Straße entdeckt und schnell vermutet, dass er sich nach einem Autounfall dorthin geschleppt hatte, konnte das aber nie belegen. Das Opfer war alleinstehend, hatte stark gerochen und war, wie mehrfach in der Akte zu lesen war, in seinem Heimatort als Säufer bekannt. Die, wie Laura fand, recht oberflächlichen Ermittlungen verliefen in diesem Fall bald im Sande.
Waren das Interesse der Öffentlichkeit und der Einsatz der Polizei im Fall der ermordeten Postfrau überaus intensiv und ausdauernd gewesen, schien sich bei dem geschädigten Mann niemand über das Nötigste hinaus engagiert zu haben.
Im ersten Moment war Laura fast ein wenig enttäuscht, nur zwei relevante Fälle herausgefunden zu haben, zumal der mit dem angeblichen Unfallopfer ihr bestenfalls erwähnenswert vorkam. Warum sollte Lemke einen alten, mittellosen Säufer umbringen wollen? Hatte der ihn möglicherweise bei etwas beobachtet? Bei der Postfrau lag das Motiv wesentlich deutlicher auf der Hand. Hatte der junge Lemke einen Wunsch, der mit zweitausend Mark zu erfüllen war? Dafür traute Laura dem damals Fünfzehnjährigen ohne Weiteres einen Mord zu.
Doch dann war sie erleichtert, nur zwei und nicht mehr derartige Verbrechen gefunden zu haben. Diese beiden waren schon zwei zu viel.
Gab es eigentlich eine Routine bei der Polizei, solche alten, ungeklärten Fälle noch mal aufzunehmen? Kümmerte sich jemand um diese Verbrechen? Interessierte das überhaupt irgendwen? Judith würde das sicher wissen.

    ~ 47 ~
     
    Von Brigitte Möbius ging ein zeitloser Charme aus. Die zierliche, tatkräftig wirkende Frau, deren dunkelblonde Haare auf halbe Länge geschnitten waren, trug schon immer gerne schwarz, sodass ihre Kleidung optimal zu ihrer Arbeit und zu ihrer Umgebung passte. Heute unterstrichen ein schwarzer Hosenanzug, eine weiße Bluse, die Perlenkette ihrer Mutter und das schwarze elegante Brillengestell ihr apartes Wesen.
Die junge Inhaberin des gleichnamigen Bestattungshauses hatte die Besucher durch das Schaufenster ihres Ladens bereits von Weitem kommen sehen. Sie unterbrach ihre Arbeit an den erst kürzlich gelieferten Sargdecken und begrüßte die mutmaßlich Hinterbliebenen mit professionell pietätvoller Miene, kaum dass das Glöckchen an der Eingangstür dezent gebimmelt hatte.
Doch noch, bevor Brigitte Möbius beginnen konnte, ihre im Trauerfall üblichen Sätze aufzusagen, stellte Walter Dreyer sich und Judith Brunner vor. »Wir wissen, dass Sie schon mit unserer Dienststelle telefoniert haben, doch hätten wir gerne noch persönlich mit Ihnen gesprochen.«
Höflich lud die Bestatterin die Polizisten in ihr Büro ein. »Ich gebe hinten nur rasch Bescheid, damit mein Einsarger mich im Ladenraum vertritt.«
Brigitte Möbius verschwand durch eine Seitentür und Judith und Walter hatten Gelegenheit, sich im Schauraum des Bestattungshauses ein wenig umzusehen. Zwischen zwei Särgen und einigen Urnen waren auf einem Tisch diverse Stücke anrührender Totenwäsche ausgestellt, aus Atlasseide gefertigt und mit breiter Spitze verziert. Ob viele diese zarten Totenhemden für ihre Lieben auswählten? Auf einer Konsole lagen verschiedene Beispiele für Todesanzeigen in den Tageszeitungen und für diverse Kartengrüße, aber auch Adressen von Blumengeschäften

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