Giftweizen
das nich bis Montag noch Zeit gehabt hätte. Ich hab ihm sein Stullenpaket jemacht.«
Walter Dreyer fragte: »Konnten Sie jemanden erkennen?«
»Nee, das war noch zu duster. Aber die sahen fast wie Sie beide aus. Den einen hab ich ja kaum gesehen. Der hat ja nur das Tor auf- und zugemacht, war ein Kleiner; wie Sie ungefähr«, zeigte Sabine Meingold auf Judith Brunner. »Und der andere war nicht mehr der Jüngste. Sah aber gut aus. Richtig schmuck gemacht. Im schwarzen Anzug. Deswegen hab ich ihm ja auch sofort geglaubt, dass er das Auto nehmen darf.«
»Das hat er behauptet?« Judith Brunner staunte, wie einfach so etwas zu bewerkstelligen war.
Sabine Meingold nickte. »Drum hab ich auch nich bei der Polizei angerufen, als ich das Auto vom Hof fahren hörte. Und nach ungefähr anderthalb Stunden brachte er das Auto wieder zurück. Seitdem steht die Kiste wieder an Ort und Stelle!«, schloss sie überzeugt, ihre Bürgerpflicht getan zu haben, den Bericht.
»Wissen Sie vielleicht, wo die Inhaber sich aufhalten?«, fragte Walter Dreyer nach.
»Die haben die Reparaturzeit gleich genutzt und sind in Urlaub gefahren, ins Vogtland. Wollten nach Bad Brambach, wie jedes Jahr.«
»Und wo die Handwerker stecken, haben Sie da eine Ahnung?« Irgendjemand musste die Schlüssel zum Bestattungsinstitut haben und Judith Brunner hoffte, damit auch in den Kühlraum zu gelangen.
Sabine Meingold wusste, dass die zwei »Faulpelze«, wie sie sie nannte, jetzt ihre übliche Kaffeepause beim Bäcker machten und jeden Moment wiederkommen müssten. »Passen Sie bloß auf, denn um vier machen die schon wieder Feierabend«, schimpfte sie im Gehen noch etwas.
Judith brachte im Stillen ein Hoch auf Zeit totschlagende, neugierige Nachbarinnen aus, und während Walter am Bestattungshaus auf die Handwerker wartete, fuhr sie rasch zur Dienststelle zurück und schickte die Spurensicherung los.
~ 48 ~
Lisa mochte die ungeliebten Routinearbeiten! Dieselbe Frage ein Dutzend Mal stellen? Ständig Abfuhren zu erhalten, Ausreden zu hören oder manchmal sogar unflätig beschimpft zu werden? Das hinderte sie kein bisschen am Weitermachen. Im Gegenteil, so etwas weckte erst recht ihren Ehrgeiz, doch noch eine nützliche Auskunft zu bekommen. Andere maulten, wenn sie herumtelefonieren oder in Papierbergen recherchieren sollten, ihr jedoch gefiel das planvolle Zusammentragen von Informationen immer besser, je länger sie nun schon zur Arbeitsgruppe von Judith Brunner gehörte. Lisa war auch ziemlich beeindruckt, was Laura Perch in der kurzen Zeit über Otto Holl und seine Bande allein anhand der Archivakten herausgefunden hatte, und sie nahm sich vor, die Freundin ihrer Chefin bei nächster Gelegenheit um ein paar Tipps zu bitten.
Im Augenblick war Lisa auch so mit sich ganz zufrieden. Ihr Talent, am Telefon geduldig den richtigen Leuten präzise Fragen zu stellen, hatte auch heute wieder zum Erfolg geführt. Und wenn sie ehrlich war – so schwierig war es gar nicht gewesen. Da Otto Holl und Arnold Pfeiffer entlassene Straftäter waren, mussten die Dienststellen, die ihre gesellschaftliche Wiedereingliederung ermöglichen sollten, entsprechende Unterlagen haben. Lisa hatte die zuständige Sachbearbeiterin gleich ans Telefon bekommen. Unglücklicherweise war die Frau ein paar Tage krankgeschrieben gewesen und hatte deswegen nichts von den polizeilichen Ermittlungen erfahren. Rasch hatte sie die Akten zur Hand genommen und Lisa hilfsbereit mitgeteilt: »Viele Unterlagen haben wir noch nicht vorliegen; Holl und Pfeiffer sind ja erst vor zwei Wochen aus dem Gefängnis raus. Also: Die beiden Männer hatten sich zunächst an ihrem alten Wohnort in Nordhausen gemeldet. Das ist so Vorschrift. Die ihnen dort zugewiesene Unterkunft haben sie allerdings abgelehnt und versichert, sie hätten in der alten Heimat was Besseres in Aussicht. Dadurch sind sie hierher nach Gardelegen gekommen. Mein letzter Stand war, dass die sich gerade ihre Bleibe einrichten.«
»Die haben eine Wohnung? Zusammen?«, fragte Lisa Lenz nach.
»Ja. Ich hatte ihnen zumindest die übliche Zuweisung für eine Wohnung gegeben. Sie wollten gemeinsam einziehen. Ob die beiden dann aber tatsächlich zur Wohnungsverwaltung gegangen sind, kann ich Ihnen leider nicht sagen. Ich muss heute erst mal meinen Schreibtisch aufräumen, vielleicht finde ich da eine entsprechende Mitteilung.« Die Sachbearbeiterin schien zu bedauern, Lisa nicht mehr Informationen geben zu können. Zum Schluss hatte sie aber
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