Giftweizen
Gümnasum, Inwantur – Mittel weg.«
Judith seufzte leise und Walter nahm an, dass ihr seine Informationen besser gefielen: »Ich bin mit den Skoda-Fahrern durch. Einer von denen war tatsächlich an der Müllgrube. Der Mann hat eine glaubhafte Geschichte abgeliefert. Er war nämlich mit einem Kumpel da, um alte Tapeten, Scheuerleisten und Farbabfälle zu entsorgen. Sie renovieren schwarz Wohnungen und sparen sich mit dieser Art der Müllbeseitigung unnötiges Aufsehen. Um nicht ertappt zu werden, haben die Maler ihre Umgebung bei der Entsorgung genau beobachtet. Den beiden ist aber nichts aufgefallen. Den Trecker haben sie gehört, aber nicht gesehen. Sie wähnten sich unentdeckt ... Die anderen beiden Autos von heute standen bei den Leuten zu Hause oder in der Werkstatt in Kakerbeck. Hier, ich hab alles notiert.« Er gab Judith seine Unterlagen.
»Danke. Auf diesem Weg kommen wir also nicht weiter«, musste Judith enttäuscht feststellen. »Ich wollte gerade noch mal los und mit den Fahrern der Krankenhauswäsche und der Schnellen Medizinischen Hilfe sprechen. Und mit den Bestattern habe ich auch noch nicht persönlich geredet. Vielleicht ergibt sich da noch eine Spur.«
»Wenn ich helfen darf«, bot Walter lausbübisch grinsend an und musste Judith nicht lange überzeugen.
Sie schlug vor, mit den drei Bestattungshäusern zu beginnen, die es in Gardelegen gab. Das dürfte nicht allzu lange dauern. Die beiden auswärtigen würden sie danach aufsuchen, wenn sich bis dahin nichts ergab. Und da Walter fahren würde, könnte er außerhalb der Stadt schon mal aufs Gas drücken.
Aber so eilig war es doch nicht. Schließlich war noch Mittagszeit. Und wen würde man in Gardelegen zu dieser Zeit in seinem Geschäft antreffen?
Im Ratskeller fanden sie einen gemütlichen Tisch. Das Lokal war übersichtlich besetzt. Die Speisekarte – hektografierte Blätter in einer Klarsichthülle – war mit großzügigem Zeilenabstand auf einer in die Jahre gekommenen mechanischen Schreibmaschine getippt worden und bestand aus einer schmucklosen Vorderseite mit den landesweit üblichen Gerichten: von Würzfleisch mit Toast bis Steak au four. Altmärker Gerichte hielt man hier wohl für zu profan. Auf der öfter handschriftlich korrigierten Rückseite stand das Getränkeangebot: mal gab es Radeberger oder tschechisches Bier – mal eben nicht. Das heimische Garley Bräu suchte man vergebens oder sollte sich die älteste Biermarke der Welt hinter dem Angebot »Bier vom Faß« verstecken?
Judith und Walter wollten nicht all zu viel Zeit beim Essen verbringen und entschlossen sich, den warmen Kartoffelsalat zu nehmen, zu dem eine geräucherte Bockwurst bestens passte. Ihr Mineralwasser wurde zügig an den Tisch gebracht, und als sie damit anstießen, fasste Walter sich ein Herz und erzählte Judith von dem Liebesbrief in Lauras Buch. Das hatte ihm nun lange genug auf der Seele gelegen. »Was soll ich machen? Mir sitzt der Schreck immer noch im Nacken.«
»Schreck?« Judith war verwirrt. »Freu dich doch!«
»Wieso soll ich mich freuen? Selbst wenn dieser M nicht Martin Bach ist, was ich sehr hoffe, hat Laura mir nichts davon erzählt! Oder weißt du etwas von diesem neuen Mann?«, zeigte er ganz offen seine Neugier.
Judith ging gar nicht erst auf seine Frage ein. »Na, du bist mir einer! Erst passt dir Lauras jahrelanges Verhältnis mit eurem Arzt nicht ... obwohl ich deiner Einschätzung zu ihm gut folgen kann«, ergänzte sie rasch, als sie bemerkte, dass Walter zu einer Erwiderung ansetzte. »Dann bist du froh, dass diese Liebesgeschichte endlich vorbei ist, und jetzt wunderst du dich, dass es einen neuen Mann in ihrem Leben gibt? Wieso?«
»Na, denk doch mal an die merkwürdige Geschichte mit diesem Orthopäden im letzten Jahr! Offensichtlich hat sie einen Hang zu seltsamen Medizinmännern.« Walter benahm sich wie ein übervorsichtiger Onkel.
Judith musste laut lachen. »Du müsstest dich mal hören! Darf ich daran erinnern, dass Laura die dreißig schon vor ein paar Jahren überschritten hat und sicher weiß, was sie tut? Vertrau ihr einfach!«
»Bei diesen Männergeschichten!?« Walter blieb skeptisch. »Hm, sie ist ja wirklich eine Augenweide und dann die Großstadt; klar, dass Laura ein paar Verehrer hat.«
»Und klug genug ist sie außerdem«, ergänzte Judith. »Wenn dir so viel an einer Erklärung liegt, dann frag sie doch einfach. Erzähl ihr, wie du zu dem Liebesbrief gekommen bist.«
Walter druckste rum: »Das ist mir aber
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