Gilbert, Elizabeth
frittierte Reiscracker und grässlich schmeckende
Süßigkeiten. Die Erinnerungen an unsere Reise sind inzwischen ein bisschen
verschwommen, verwischt durch meine ablenkenden Gedanken an Felipe und den
seltsamen Nebel, der Autoreisen in allen Ländern der Welt charakterisiert. Ich
erinnere mich noch daran, dass Yudhi und ich die ganze Zeit »Amerikanisch«
redeten - eine Sprache, die ich lange nicht mehr gesprochen hatte. Eine Menge
Englisch hatte ich natürlich das ganze Jahr über geredet, nicht aber
Amerikanisch, und ganz sicher nicht dieses Hip-Hop-Amerikanisch,
auf das Yudhi so abfährt. Also frönen wir dem Hip-Hop und verwandeln uns beim
Fahren in zwei MTV-glotzende Heranwachsende, die einander aufziehen wie
Teenager in Hoboken, sich »Mann« nennen oder »Typ« und zuweilen - sehr zärtlich
- auch »Schwuchtel«. Über weite Strecken besteht unser Dialog aus lauter netten
Beleidigungen und wechselseitigen Verunglimpfungen unserer Mütter.
»Mann, was hast du denn da mit der Karte gemacht?«
»Warum fragst du nicht deine Mutter?«
»Würd ich machen, Mann, aber sie ist zu fett.«
Und so weiter.
Wir dringen nicht mal ins Innere der Insel vor, fahren nur
an der Küste entlang und sehen eine ganze Woche lang nur Strand, Strand,
Strand. Manchmal nehmen wir ein kleines Fischerboot, um zu einer vorgelagerten
Insel hinauszufahren und zu gucken, was es dort gibt. Bali hat so viele Arten
von Strand. Einen Tag lang treiben wir uns am langen weißen »südkalifornischen«
Sandstrand von Kuta herum, steuern dann die Felsenküste der Westseite an,
passieren die unsichtbare balinesische Scheidelinie, die der gewöhnliche
Tourist nie zu überqueren scheint, und fahren weiter zur Nordküste, in deren
wilde Brandung sich nur Surfer vorwagen (und auch unter denen nur die
verrückten). Wir sitzen am Strand und beobachten die gefährlichen Wellen, sehen
zu, wie die sehnigen braunen und weißen, indonesischen und ausländischen
Surfer übers Wasser gleiten wie Reißverschlüsse auf dem Rücken eines blauen
Cocktailkleids. Sehen, wie die Surfer mit knochenbrecherischer Hybris an den
Korallen oder Felsen zerschellen, nur um erneut hinauszuschwimmen und eine
weitere Welle zu reiten, und wir japsen und sagen: »Mann, das ist ja völlig krank.«
Während wir in unserem Mietwagen dahinbrausen, uns von
Junkfood ernähren, amerikanische Lieder singen und Pizza essen, wo immer wir
welche finden, versuchen wir (um Yudhis willen) zu vergessen, dass wir in
Indonesien sind. Obwohl die balinesische Realität unverkennbar ist, versuchen
wir, sie zu ignorieren, und tun, als wären wir in Amerika. »Welches ist die
geeignetste Route, um an diesem Vulkan vorbeizukommen?«, frage ich, und Yudhi
sagt: »Ich glaube, wir sollten die 1-95 nehmen«, worauf ich erwidere: »Aber da
landen wir doch mitten in der Bostoner Rushhour ... « Es ist zwar nur ein
Spiel, aber irgendwie funktioniert es.
Manchmal entdecken wir ruhige Küstenabschnitte und
schwimmen den ganzen Tag, trinken schon morgens um zehn die erste Flasche Bier
(»Mann, ist doch gesund«), freunden uns mit jedem an, der uns begegnet. Yudhi
ist jemand, der - wenn er den Strand entlangschlendert und einen Mann ein Boot
bauen sieht - stehen bleibt und sagt: »Wow! Sie bauen ein Boot?« Und seine
Neugierde ist so absolut gewinnend, dass wir, ehe wir uns es versehen, schon
eingeladen sind, ein Jahr bei der Familie des Bootsbauers zu verbringen.
Seltsame Dinge geschehen an den Abenden. Am Ende der Welt
stolpern wir in geheimnisvolle Tempelrituale und lassen uns von dem Chor aus
Stimmen, Trommeln und Gamelan verzaubern. Wir entdecken ein Dorf am Meer,
dessen gesamte Einwohnerschaft sich zu einem Geburtstagsfest in einer dunklen
Gasse versammelt hat; Yudhi und ich werden aus der Menge geholt und als
Ehrengäste aufgefordert, mit dem hübschesten Mädchen des Dorfs zu tanzen. (Es
ist mit Gold und Edelsteinen behängt und in Weihrauch gehüllt und irgendwie
ägyptisch geschminkt; wahrscheinlich ist es nicht älter als dreizehn, wiegt
sich aber in den Hüften mit der Sinnlichkeit und dem Vertrauen eines
Geschöpfs, das weiß, dass es jeden Gott verführen könnte.) Am folgenden Tag
entdecken wir im selben Dorf ein seltsames Restaurant, dessen balinesischer
Inhaber sich als Meister der thailändischen Küche anpreist - was er zwar mit
Sicherheit nicht ist, was uns aber nicht davon abhält, den ganzen Abend dort zu
verbringen, eiskalte Coca-Cola zu trinken, fettige pad-thai zu essen
und mit dem
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