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Gilbert, Elizabeth

Gilbert, Elizabeth

Titel: Gilbert, Elizabeth Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Love Pray Eat
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Gurugita, der großen
und reinigenden Haupthymne meines Ashrams in Indien. Dann meditierte ich eine
Stunde lang in knochenkribbelnder Stille, bis ich sie wieder spürte: die
besondere, stete, wolkenlose, von nichts abhängende, unveränderliche, namenlose
und unwandelbare Vollkommenheit meines Glücks. Dieses Glücks, das wahrhaft
besser ist als alles, was ich je auf Erden erfahren habe, einschließlich
salziger, buttriger Küsse und noch salzigerer und buttrigerer Kartoffeln.
    Ich war so froh, dass ich mich entschlossen hatte, allein
zu bleiben.
     
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    Daher war ich am nächsten Abend ziemlich überrascht, als
Felipe - nachdem er für mich gekocht und wir mehrere Stunden auf seiner Couch
herumgelegen und alle möglichen Themen erörtert hatten - sich plötzlich für
einen Moment zu mir herüberbeugte, an meinen Achseln schnüffelte und erklärte,
wie sehr er meinen herrlichen Gestank liebe, um dann die Hand an meine Wange zu
legen und zu sagen: »Und nun reicht's, Schätzchen. Los jetzt, ins Bett«, und
ich ihm folgte.
    Ja, ich folgte ihm in sein Bett, in das Schlafzimmer mit
den großen geöffneten Fenstern, die auf die Nacht und die balinesischen
Reisfelder hinausgingen. Er teilte den dünnen weißen Vorhang des
Moskitonetzes, der sein Bett umgab, und geleitete mich hinein. Dann half er mir
mit der Erfahrung eines Mannes, der offenbar viele entspannte Jahre damit verbracht
hatte, seine Kinder zum Baden zu entkleiden, aus den Klamotten und erklärte
mir, wie er sich das Ganze vorstelle: dass er nämlich absolut nichts von mir
wolle, außer der Erlaubnis, mich so lange zu verehren, wie ich es wünsche.
Konnte ich das akzeptieren? Da mir irgendwo zwischen Couch und Bett die Stimme
abhanden gekommen war, nickte ich nur. Dann schob er einige Kissen zur Seite
und rollte mich so, dass ich unter ihm zu liegen kam.
    »Okay«, meinte er lächelnd. »Gehen wir die Sache mal ein
bisschen geordnet an.«
    Das war schon recht lustig, denn dieser Moment stellte im
Grunde das Ende all meiner Bemühungen um Ordnung dar. Es war der Moment, in dem
ich meine Versuche, jede Gefühlsregung zu kontrollieren, aufgab, in dem ich
aufhörte, jede Entscheidung aus den zwanzig Blickwinkeln eines hypervorsichtigen
Menschen zu betrachten, der nie wieder einen Fehler machen will. Stattdessen
gestattete ich mir, von meinem bisherigen Kurs abzuweichen und mich in die Hände
dieses Mannes zu begeben.
    Später erzählte er mir, wie er mich in jener Nacht erlebt
hatte. Ungeheuer jung sei ich ihm vorgekommen und hätte nicht im Geringsten
jener selbstsicheren Frau geähnelt, die er bei Tageslicht kennen gelernt hatte.
Entsetzlich jung, aber auch offen, aufgeregt, erleichtert, erkannt zu werden -
und des ewigen Starkseins so überdrüssig. Dass ich sehr lange nicht mehr
berührt worden sei, sei offensichtlich gewesen. Er erlebte mich ungeheuer
bedürftig, aber auch dankbar, diese Bedürftigkeit zeigen zu können. Und wenn
ich auch nicht behaupten kann, mich an all das zu erinnern, glaube ich es ihm,
da er mich schrecklich genau zu beobachten schien. Am stärksten aber ist mir
aus jener Nacht das sich rings um uns blähende weiße Moskitonetz im Gedächtnis
geblieben. Es erinnerte mich an einen Fallschirm. Und ich hatte das Gefühl,
als würde ich mit diesem Fallschirm aus der Maschine springen, die mich während
der letzten Jahre in mein neues Leben befördert hatte. Denn mitten in der Luft
war mein einmotoriger Flieger obsolet geworden, so dass ich den Notausgang
nahm und mich von dem flatternden weißen Fallschirm durch die eigenartig leere
Atmosphäre zwischen meiner Vergangenheit und meiner Zukunft tragen ließ und
sicher auf dieser kleinen bettförmigen Insel landete, die nur von diesem
gestrandeten Matrosen, diesem attraktiven Brasilianer, bewohnt war, der (da
selbst schon so lange allein) so glücklich und von meiner Ankunft so überrascht
war, dass er plötzlich sein ganzes Englisch vergaß und jedes Mal, wenn er mich
ansah, nur diese fünf Worte stammeln konnte: schön,
schön, schön, schön, schön.
     
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    Natürlich kamen wir nicht zum Schlafen. Und dann - es war
wirklich lächerlich - musste ich gehen. Musste blödsinnigerweise schon
frühmorgens zu mir zurück, weil ich dort mit meinem Freund Yudhi verabredet
war. Schon vor einiger Zeit hatten wir geplant, in dieser Woche zu unserer
gemeinsamen Balireise aufzubrechen. Eine Idee, die uns an einem der Abende in
meinem Haus gekommen war, als wir, wie stets, über Yudhis Ausweisung

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