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Gilbert, Elizabeth

Gilbert, Elizabeth

Titel: Gilbert, Elizabeth Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Love Pray Eat
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effeminierten halbwüchsigen Sohn des Wirts Brettspiele zu spielen.
(Erst später fällt uns auf, dass dieser hübsche Junge durchaus die schöne
Tänzerin vom Vorabend gewesen sein könnte; die Balinesen sind Meister des
rituellen Transvestismus.)
    Jeden Tag rufe ich von jedem Telefon, das ich finden kann,
Felipe an, und er fragt mich jedes Mal: »Wie oft muss ich noch zu Bett gehen,
bis du zurückkommst?« Er genieße es, erzählt er mir, sich in mich zu verlieben.
»Es fühlt sich so selbstverständlich an, als würde mir das alle Tage passieren,
obwohl ich es seit fast dreißig Jahren nicht mehr erlebt habe.«
    Da ich noch nicht so weit bin, nicht an dem Punkt, mich so
ohne weiteres auf diese Liebe einzulassen, antworte ich nur zögernd und deute
an, dass ich ja schon in wenigen Monaten wieder abreise. Felipe bekümmert das
nicht. »Vielleicht«, meint er, »ist es ja nur so eine dumme romantische
südamerikanische Idee, aber du solltest wissen, Darling: Für dich bin ich sogar
bereit zu leiden. Was die Zukunft auch bringen mag, für das Vergnügen, jetzt
mit dir zusammen zu sein, nehme ich auch Schmerzen in Kauf. Lass es uns genießen.
Es ist so wunderbar.«
    »Es ist schon komisch«, erzähle ich ihm, »aber vor unserer
Begegnung habe ich ernsthaft geglaubt, ich würde bis zu meinem Tod das
kontemplative Leben einer Nonne führen.«
    »Überleg doch mal, Darling ...«, sagt er und beginnt, mir
detailliert auszumalen, was er als Erstes, Zweites, Drittes, Viertes und
Fünftes mit mir anstellen werde, sobald er mich wieder in seinem Bett habe.
Etwas wacklig auf den Beinen, erheitert und bass erstaunt ob all der neuen Leidenschaft
schwanke ich nach dem Telefonat von dannen.
    Am letzten Tag unserer Reise faulenzen Yudhi und ich
stundenlang an irgendeinem Strand und reden - wie so oft - über New York,
darüber, wie toll die Stadt doch sei und wie sehr wir sie liebten. Spontan wischt
Yudhi ein Fleckchen weißen Sand zwischen unseren Handtüchern glatt und skizziert
die Umrisse von Manhattan darauf. »Zeichnen wir doch mal alles ein, woran wir
uns erinnern.« Daraufhin markieren wir alle Avenues, die wichtigsten
Querstraßen, das Durcheinander, das der Broadway anrichtet, indem er sich
krumm über die Insel erstreckt, die Flüsse, das Village und den Central Park.
Wir wählen eine hübsche Muschel als Symbol für das Empire State Building und
eine zweite Muschel für das Chrysler Building. Respektvoll nehmen wir zwei
Stöckchen und errichten die Twin Towers wieder auf ihrem Platz am unteren Ende
der Insel.
    Dann zeigen wir einander unsere Lieblingsplätze. Hier hat
Yudhi die Sonnenbrille gekauft, die er jetzt trägt, und da habe ich die
Sandalen aufgetrieben, die ich gerade anhabe. Hier habe ich zum ersten Mal mit
meinem Exmann zu Abend gegessen, und da hat Yudhi seine Frau kennen gelernt.
Hier gibt es das beste vietnamesische Essen der Stadt, da die besten Bagels, das
ist der beste Nudelladen (»unmöglich, du Schwuchtel - das da ist der beste
Nudelladen«). Ich zeichne mein altes verrufenes Viertel ein, und Yudhi meint:
»Da oben kenn ich ein gutes Lokal.«
    »Tick-Tock, Cheyenne oder Starlight?«, frage ich.
    »Tick-Tock, Mann.«
    »Schon mal Sahneeier im Tick-Tock probiert?«
Er stöhnt: »Oh mein Gott, ich weiß ...« Ich spüre seine Sehnsucht nach New York
so stark, dass ich sie einen Moment lang für meine eigene halte. Sein Heimweh
steckt mich derart an, dass ich kurzzeitig vergesse, dass ich ja - anders als
er - jederzeit nach Manhattan zurückkehren kann. Er spielt mit den
Twin-Tower-Stöckchen herum, steckt sie noch tiefer in den Sand, blickt dann
hinaus auf den blauen Ozean und sagt: »Ich weiß, es ist schön hier ... Aber
glaubst du, dass ich Amerika jemals wiedersehen werde?« Was kann ich ihm sagen?
    Wir versinken in Schweigen. Dann spuckt er plötzlich den
indonesischen Drops aus, auf dem er seit etwa einer Stunde herumlutscht, und
meint: »Mann, dieses Bonbon schmeckt total scheiße. Wo hast du
das her?«
    »Von deiner Mutter, Mann«, antworte ich. »Von deiner
Mutter.«
     
    99
     
    Als wir wieder in Übud sind, gehe ich geradewegs zu Felipe
und verlasse einen Monat lang nicht mehr sein Schlafzimmer. Und das ist nur
eine ganz leichte Übertreibung. Niemals zuvor hat mich ein Mann so geliebt und
angebetet, nie mit solcher Lust und totaler Konzentration. Nie hat man mich
während des Liebesakts so entblättert und enthüllt, so entfaltet und durch Raum,
Zeit und Gefühle geschleudert.
    Wenn ich etwas

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