Gilbert, Elizabeth
über Intimität wirklich weiß, dann dies:
dass das sexuelle Erleben zweier Menschen von bestimmten Naturgesetzen bestimmt
wird, und dass diese Gesetze so unverrückbar und unverhandelbar sind wie die
Schwerkraft. Mit einem anderen Menschen körperlich zu harmonieren ist keine
Entscheidung, die einem irgendwie freistünde. Es hat sehr wenig damit zu tun,
wie zwei Menschen denken oder handeln, reden oder gar aussehen. Entweder ist
der geheimnisvolle Magnet, der irgendwo tief unterm Brustbein sitzt, vorhanden
oder aber nicht. Ist die gegenseitige Anziehung nicht da, kann man sie (wie
ich in der Vergangenheit schmerzhaft erfuhr) ebenso wenig forcieren, wie ein
Chirurg den Körper eines Patienten zwingen kann, die Niere eines ungeeigneten
Spenders zu akzeptieren. Meine Freundin Annie glaubt, dass sich alles auf die
schlichte Frage reduziert: Willst du deinen Bauch für immer an den Bauch dieses
Menschen schmiegen oder nicht?
Felipe und ich entdecken zu unserer Freude, dass wir eine
genetisch perfekt aufeinander abgestimmte Bauch-an-Bauch-Erfolgsgeschichte
sind. Unsere Haut erkennt die Haut des anderen und stößt sie nicht ab. Kein
Teil unserer Körper reagiert »allergisch« auf Körperteile des anderen. Nichts
ist gefährlich, nichts schwierig, nichts wird verweigert. Alles in unserem
sinnlichen Universum findet seine - einfache und völlige - Entsprechung,
Komplementierung. Und, ja, auch Komplimente.
»Schau dich an«, sagt Felipe und schiebt mich, nachdem wir
erneut miteinander geschlafen haben, vor den Spiegel, deutet auf meinen nackten
Körper und mein Haar, das aussieht, als käme ich gerade aus einer
Weltraumtrainingszentrifuge der NASA, zeigt auf mein zufriedenes Lächeln, meine
gerötete Haut. »Sieh dich an«, sagt er, »sieh mal, wie schön du bist ... Jede
Linie an dir ist eine Kurve ... Du siehst aus wie die Sanddünen ... «
Ich glaube nicht, dass mein Körper je so entspannt ausgesehen
hat oder war, jedenfalls nicht seit meinem sechsten Lebensmonat, als ich mich -
wie Mutters Schnappschüsse verraten - nach einem warmen Bad selig auf einem
Handtuch auf dem Küchentisch räkelte. Mit meiner Freundin Sheryl habe ich mich
häufig darüber unterhalten - über diese Intensität, diese Schönheit, die man
nur dann erlangt, wenn man von einem Liebhaber angebetet wird. Wenn ich mit
Felipe zusammen bin, hat mein Gesicht eine Ausstrahlung, die es nie zuvor
besaß und die es ohne ihn und seinen Blick nicht hätte. Das heißt nicht, dass
ich ohne Liebhaber nicht attraktiv oder glücklich sein kann; es handelt sich lediglich
um eine besondere Facette menschlicher Erfahrung, die man allein nicht erleben
kann. Es ist dieser winzige Fleck auf unserem Rücken, an dem wir uns selbst
nicht kratzen können.
Dann führt er mich wieder zum Bett zurück und sagt auf
Portugiesisch: »Vem, gostosa.«
Komm her, meine Köstliche.
Felipe ist der Meister der Liebesworte. Im Bett geht er
dazu über, mich auf Portugiesisch zu liebkosen, so dass ich von seinem »süßen
kleinen Darling« zu seiner queridinha (wörtliche
Übersetzung: »süßes kleines Darling«) aufsteige. Ich war auf Bali zu faul, um
Indonesisch oder Balinesisch zu lernen, aber Portugiesisch fällt mir plötzlich
sehr leicht. Natürlich lerne ich nur Bettgeflüster, aber das ist eine gute Anwendung.
»Irgendwann, Darling, wirst du's satt haben«, sagt er. »Es
wird dich langweilen, dass ich dich so oft berühre und dir unzählige Male am
Tag sage, wie schön du bist.«
Probier's doch aus, Mister.
Unter seinen Laken, seinen Händen verschwindend, gehen
mir ganze Tage durch die Lappen, und ich genieße es. Ich weiß nicht mehr,
welches Datum wir haben. Mein geregelter Tagesablauf ist dahin und vom Winde
verweht. Eines Nachmittags schaue ich, nach langer Unterbrechung, wieder mal
bei meinem Medizinmann vorbei, und Ketut sieht mir den Grund für mein langes
Fortbleiben an, noch ehe ich ein Wort gesagt habe.
»Du gefunden Freund in Bali«, sagt er.
»Ja, Ketut.«
»Schön. Pass auf, dass nicht schwanger wird!«
»Mach ich.«
»Er gute Mann?«
»Du hast es mir selbst gesagt, Ketut«, erwidere ich. »Du
hast ihm aus der Hand gelesen. Ungefähr sieben Mal hast du es wiederholt.«
»Wirklich? Wann?«
»Im Juni. Ich hatte ihn mitgebracht. Du hast gesagt, dass
du ihn magst.«
»Niemals«, beharrte er, und ich konnte ihn durch nichts
vom Gegenteil überzeugen. Zuweilen entfallen Ketut Dinge, wie es auch Ihnen
passieren würde, wenn Sie zwischen fünfundsechzig
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