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Gilbert, Elizabeth

Gilbert, Elizabeth

Titel: Gilbert, Elizabeth Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Love Pray Eat
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aber bald.
    Potenzielle Freunde trifft man auf Reisen meist en
passant, weil man etwa neben ihnen im Zug oder im Restaurant oder
in der Gefängniszelle sitzt. Doch das sind Zufallsbegegnungen, und man sollte
sich nie allein auf sein Glück verlassen. Um das Ganze systematischer
anzugehen, kann man auch heute noch auf die althergebrachte Methode des »Empfehlungsschreibens«
zurückgreifen (das heutzutage wahrscheinlich eher eine E-Mail ist), mit dem
man ganz offiziell den Bekannten eines Bekannten vorgestellt wird. Falls Sie
unverfroren genug sind, unaufgefordert bei wildfremden Leuten aufzukreuzen und
sich selbst zum Abendessen einzuladen, ist ein solches Empfehlungsschreiben
der beste Garant, Leute kennen zu lernen. Ehe ich also nach Italien reiste,
fragte ich jeden, den ich kannte, ob er vielleicht Freunde in Rom habe, und
gelangte auf diese Weise zu einer umfangreichen Liste italienischer Kontakte.
    Unter all den aufgelisteten Freundschaftskandidaten fasziniert
mich vor allem ein Bursche namens - halten Sie sich fest - Luca Spaghetti. Luca
Spaghetti ist ein guter Freund meines Freundes Patrick McDevitt, den ich noch
aus Collegetagen kenne. Und der heißt ganz ehrlich so, ich schwöre es, ich
saug mir das nicht aus den Fingern.
    Wie auch immer, ich habe vor, mich so schnell wie möglich
mit Luca Spaghetti in Verbindung zu setzen.
     
    14
     

Zunächst aber muss ich mich in der Schule anmelden. Heute
beginnen meine Kurse am Spracheninstitut Leonardo da Vinci, wo ich
fünf Tage die Woche und vier Stunden pro Tag Italienisch lernen werde. Ich
freue mich sehr auf die Schule. Ich bin eine so hemmungslose Schülerin. Gestern Abend habe ich meine Kleider bereitgelegt, genau wie an meinem
ersten Schultag die Lackschuhe und meine neue Lunchbox. Hoffentlich mag mich
der Lehrer.
    Am ersten Tag am Leonardo da Vinci müssen wir
alle einen Einstufungstest schreiben. Als ich das höre, hoffe ich sofort,
dass ich nicht in der Stufe eins lande, denn das wäre zu beschämend, nachdem
ich an meiner Abendschule für geschiedene Frauen in New York schon ein ganzes,
geschlagenes Semester Italienisch gelernt habe, den Sommer mit dem
Auswendiglernen von Karteikärtchen verbracht habe, schon eine Woche in Rom bin
und die Sprache bereits praktisch angewandt und sogar mit Großmüttern über
Scheidung geplaudert habe. Tatsache ist, dass ich nicht einmal weiß, wie viele
Stufen in dieser Schule unterrichtet werden, doch als ich das Wort »Stufe«
höre, beschließe ich, dass ich mindestens Stufe zwei erreichen muss.
    Also prasselt heute der Regen herunter, und ich bin zu
früh in der Schule (wie zu Collegezeiten) und schreibe den Test. Er ist so
schwer! Ich schaffe nicht einmal ein Zehntel! Ich kann so viel Italienisch,
kenne Dutzende von Wörtern, aber sie fragen nicht
nach denen, die ich kenne. Die mündliche Prüfung ist noch schlimmer. Da sitzt
diese dünne Italienischlehrerin, die mich interviewt und meiner Meinung nach
viel zu schnell redet, und ich sollte eigentlich viel besser sein, aber ich bin
nervös und mache Fehler bei Sachen, die ich eigentlich weiß (warum habe ich
etwa vado a scuola gesagt statt sono
andata a scuola? Ich weiß es doch!).
    Schließlich geht aber doch alles gut. Die dünne Lehrerin
sieht sich meinen Test an und entscheidet:
    Stufe zwei!
    Der Unterricht beginnt am Nachmittag. Also gehe ich Mittag
essen (gegrillte Endivienblätter), schlendere dann zur Schule zurück, spaziere
selbstgefällig an all den Stufe-eins-Studenten vorbei (man muss schon molto
stupido sein!) und stolziere in meine erste Unterrichtsstunde. Mit
meinesgleichen. Nur, dass sich ziemlich schnell herausstellt, dass die nicht
meinesgleichen sind und ich hier nichts verloren habe, weil Stufe zwei wirklich
unglaublich schwer ist. Mir ist, als käme ich zwar
mit, aber nur mit Mühe und Not. Als ob ich bei jedem Satz ins Keuchen geriete.
Der Lehrer, ein dürrer Kerl (warum sind die Lehrer so dünn hier? Ich traue mageren
Italienern nicht), geht viel zu schnell vor, überspringt ganze Kapitel mit den
Worten »Das kennt ihr schon, das wisst ihr schon ...« und unterhält sich im
Schnellfeuertempo mit meinen offensichtlich fließend Italienisch sprechenden
Klassenkameraden. Mein Magen krampft sich zusammen, ich schnappe nach Luft und
bete darum, dass er mich nicht aufruft. Sobald wir Pause haben, verlasse ich
auf wackligen Beinen das Klassenzimmer und haste fast in Tränen aufgelöst
hinüber zum Sekretariat, wo ich in unmissverständlichem Englisch

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