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Gilbert, Elizabeth

Gilbert, Elizabeth

Titel: Gilbert, Elizabeth Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Love Pray Eat
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Verkehrsunfall verwickelt wären. Die Lazio-Spieler waren nicht
weniger dramatisch und wälzten sich nach einem Foul mit schmerzverzerrten
Gesichtern am Boden wie Julius Cäsar in der Sterbeszene, sprangen jedoch zwei
Sekunden später wieder auf die Füße, um einen weiteren Angriff aufs Tor zu
starten. Trotzdem verlor Lazio.
    Da Luca Spaghetti nach dem Spiel Aufmunterung brauchte,
fragte er seine Freunde: »Gehen wir noch irgendwohin?«
    Das hieß wohl (vermutete ich): »Gehen wir in eine Bar?«
Denn das würden Sportfans in Amerika tun, wenn ihre Mannschaft gerade verloren
hätte. Sie würden in eine Bar gehen und sich tüchtig einen hinter die Binde
kippen. Und nicht nur Amerikaner - auch Engländer, Australier, Deutsche ...
Aber Luca und seine Freunde gingen nicht in eine Bar, um sich auf andere
Gedanken zu bringen. Sie gingen in eine Bäckerei. Eine kleine Bäckerei im
Kellergeschoss eines Hauses in einem unscheinbaren Viertel. An diesem Sonntagabend
war sie brechend voll. Doch so voll ist es dort immer nach den Spielen. Die Lazio-Fans kommen auf ihrem Heimweg hier vorbei, um stundenlang auf der Straße
zu stehen, an ihren Mopeds zu lehnen, das Spiel zu bereden, wahnsinnig männlich
auszusehen und Windbeutel zu essen.
    Ich liebe Italien.
     
    24
     
    Ich lerne etwa zwanzig neue italienische Wörter pro Tag.
Ständig pauke ich Vokabeln und gehe, während ich durch die Stadt spaziere und
den Passanten ausweiche, meine Karteikärtchen durch. Wo nehme ich bloß die
nötige Gehirnkapazität her, um mir all diese Wörter zu merken? Hoffentlich
kommt mein Geist auf die Idee, ein paar negative und traurige Erinnerungen
auszurangieren und sie durch diese neuen Vokabeln zu ersetzen.
    Ich lerne zwar sehr fleißig Italienisch, hoffe aber immer
noch, dass eines Tages ein Knoten platzt. Dass ich eines Tages den Mund
aufmache und wie durch Zauberhand fließend Italienisch spreche. Dann werde ich
eine waschechte kleine Italienerin sein. Am liebsten würde ich ganz ins
Italienische eintauchen, aber es gibt so viele Untiefen in dieser Sprache.
Warum beispielsweise haben die italienischen Wörter für »Baum« und »Hotel« so
viel Ähnlichkeit miteinander (albero versus albergho)? Das führt dazu, dass ich Leuten immer wieder versehentlich erkläre,
dass ich auf einer »Weihnachtshotel-Farm« aufgewachsen bin statt auf einer -
wie es zutreffender heißen müsste und weniger surrealistisch klingen würde -
»Weihnachtsbaum-Farm«. Und dann gibt es auch noch Wörter mit doppelter oder gar
dreifacher Bedeutung, wie etwa tasso - was
entweder »Zinssatz«, »Dachs« oder »Eibe« heißen kann. Am meisten ärgere ich
mich, wenn ich auf Wörter stoße, die hässlich sind. Ich empfinde sie fast als
persönlichen Affront. Tut mir Leid, aber ich bin nicht nach Italien gekommen,
um zu lernen, wie man ein Wort wie schermo (»Bildschirm«)
ausspricht.
    Trotzdem, im Großen und Ganzen hat sich mein Sprachstudium
absolut gelohnt. Zum überwiegenden Teil ist es das pure Vergnügen. Giovanni und
mir macht es unglaublichen Spaß, uns gegenseitig englische und italienische
Redewendungen beizubringen. Vorgestern haben wir über Ausdrücke geredet, die
man gebraucht, wenn man jemanden trösten will. Ich habe ihm erzählt, dass wir
im Englischen zuweilen sagen: »I've been there.« - »Da war
ich auch schon.« Zunächst stutzte er: Wo sei ich gewesen? Doch ich erklärte
ihm, dass tiefer Kummer im übertragenen Sinne ein Ort sei, quasi eine
Koordinate auf der Landkarte der Zeit. Wenn man in einem Wald der Trauer stehe,
könne man sich nicht vorstellen, dass man je wieder heraus- und an einen
besseren Ort findet. Aber wenn einem jemand versichern könne, dass er schon an
derselben Stelle gestanden habe und weitergegangen sei, so mache einem das
zuweilen Mut.
    »Traurigkeit ist also ein Ort?«, fragte Giovanni.
    »Manchmal leben Menschen jahrelang dort«, sagte ich.
    Im Gegenzug erzählte mir Giovanni, dass mitfühlende
Italiener sagen: L'ho provato sulla mia pelle. Das heißt:
»Ich habe es auf der eigenen Haut verspürt.« Soll heißen: Ich bin ein genauso
gebranntes Kind wie du und weiß, was du durchmachst.
    Bisher allerdings ist mein Lieblingsausdruck im Italienischen
ein schlichtes, ganz alltägliches Wort: Attraversiamo.
    Es bedeutet: »Gehen wir rüber!« Freunde sagen es andauernd
zueinander, wenn sie nämlich die Straße entlangspazieren und plötzlich der
Meinung sind, es sei Zeit, auf die andere Seite zu wechseln. Eigentlich

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