Gilbert, Elizabeth
schließlich
verzweifelt meinte: »Um Himmels willen, Liz - wenn es ganz schlimm wird, küss ich dich
halt.«) Aber vorerst werde ich nichts dagegen unternehmen. Wenn ich mich in
diesen Tagen einsam fühle, denke ich mir: Dann fühl
dich eben einsam, Liz. Versuch, damit zurechtzukommen. Studier die Einsamkeit.
Setz dich, einmal im Leben, damit auseinander. Mach mal eine echte Erfahrung.
Aber missbrauche nie wieder den Körper oder die Gefühle eines anderen Menschen
als Kratzbaum für deine unerfüllten Sehnsüchte.
Es ist in erster Linie eine Art lebensrettende Notfallmaßnahme.
Mit der Suche nach Sex- und Liebesfreuden habe ich schon früh im Leben
begonnen. Bereits mit vierzehn hatte ich meinen ersten Freund, und seitdem
hatte es stets einen Jungen oder einen Mann (oder manchmal auch beides) in
meinem Leben gegeben. Das sind fast zwei geschlagene Jahrzehnte, die ich mit
irgendeinem Kerl in irgendein Drama verstrickt war. Wobei sich stets das eine
mit dem nächsten überschnitt und nie auch nur eine einwöchige Atempause
dazwischen lag. Meinem Reifeprozess war das nicht unbedingt förderlich, gebe
ich zu.
Abgesehen davon, habe ich bei Männern ein Abgrenzungsproblem.
Oder vielleicht ist das nicht ganz richtig ausgedrückt. Um ein Problem zu
haben, müsste ja erst mal eine Abgrenzung erfolgt sein, nicht wahr? Ich aber
gehe völlig in dem geliebten Menschen auf. Ich bin eine durchlässige Membran.
Wenn ich jemanden liebe, kann er alles von mir haben. Meine Zeit, meine
Hingabe, meinen Arsch, mein Geld, meine Familie, meinen Hund, das Geld meines
Hundes, die Zeit meines Hundes - alles. Wenn ich
jemanden liebe, lade ich mir all seinen Kummer auf, übernehme all seine
Schulden (und zwar jeglicher Art), beschütze ihn vor seiner eigenen
Unsicherheit, projiziere alle möglichen guten Eigenschaften auf ihn, die er
nie wirklich entwickelt hat, und kaufe Weihnachtsgeschenke für seine gesamte
Familie. Ich schenke ihm Sonne und Regen, und wenn beides nicht erhältlich
ist, überreiche ich ihm einen Sonnen- und Regengutschein. Das alles und mehr
gebe ich, bis ich so erschöpft und ausgelaugt bin, dass die einzige
Möglichkeit, meine Batterien wieder aufzuladen, darin besteht, mich in jemand
anderen zu verknallen.
Ich erzähle diese Dinge über mich wahrlich nicht mit
Stolz, aber so ist es stets gewesen.
Einige Zeit, nachdem ich meinen Mann verlassen hatte, war
ich auf einer Party, und ein Mann, den ich kaum kannte, sagte zu mir: »Weißt
du, dass du völlig verändert wirkst, seit du diesen neuen Freund hast? Früher
hast du wie dein Mann ausgesehen, jetzt aber ähnelst du David. Sogar darin, wie
du dich anziehst und wie du redest. Manche Leute ähneln ihren Hunden, du
hingegen siehst wohl immer wie deine Männer aus.«
Mein Gott, ich könnte wahrlich eine kleine Unterbrechung
vertragen, um mir ein wenig Freiraum zu schaffen und dabei vielleicht zu
entdecken, wie ich aussehe und rede, wenn ich mal nicht versuche, mit jemandem
zu verschmelzen. Außerdem - seien wir ehrlich - könnte es ein wertvoller
Dienst an der Allgemeinheit sein, wenn ich für eine Weile die Finger von
Beziehungen lasse. Denn die Bilanz meiner »Liebes«-Leistungen sieht nicht so
gut aus. Im Grunde war mein Liebesleben eine Abfolge von Katastrophen. Mit wie
vielen Männern kann ich es wohl noch probieren und wieder scheitern? Und auf
wie viele Weisen kann ich noch versuchen, meine Unzufriedenheit und
Rastlosigkeit anderen in die Schuhe zu schieben? Wenn ich je erwachsen werden
und Achtung vor mir selbst haben will, muss ich aufhören, nach erfüllender
Liebe zu suchen, und selbst Verantwortung für mein Leben übernehmen. Und das
heißt, ich brauche eine Männerpause. Betrachten Sie es doch mal so: Wenn Sie
zehn schwere Autounfälle hintereinander hatten, würde man Ihnen doch wohl den
Führerschein abnehmen! Ja, das würden Sie sich dann vielleicht sogar wünschen!
Es gibt noch einen letzten Grund, weshalb ich zögere, mich
mit jemandem einzulassen. Allem Anschein nach bin ich noch immer in David
verliebt, und ich glaube nicht, dass das dem nächsten Mann gegenüber fair wäre.
Ich weiß nicht einmal, ob David und ich schon völlig auseinander sind. Vor
meiner Abreise haben wir noch ziemlich viel Zeit miteinander verbracht, obwohl
wir schon lange nicht mehr miteinander schliefen. Aber wir gestanden uns ein,
dass wir immer noch Hoffnungen hegten, vielleicht eines Tages ... Ich weiß
nicht.
Eines aber weiß ich: Erschöpft bin ich von den
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