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Gilbert, Elizabeth

Gilbert, Elizabeth

Titel: Gilbert, Elizabeth Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Love Pray Eat
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nichts
Besonderes. Und trotzdem geht es mir irgendwie durch und durch. Als Giovanni
es zum ersten Mal zu mir sagte, trieben wir uns in der Nähe des Kolosseums
herum. Plötzlich hörte ich ihn dieses schöne Wort aussprechen, blieb wie
angewurzelt stehen und wollte wissen: »Was heißt das? Was hast du eben gesagt?«
    »A ttraversiamo. «
    Er konnte nicht begreifen, warum es mir so sehr gefiel. Gehen wir
auf die andere Seite? Aber für mein Ohr ist es eine
perfekte Kombination italienischer Laute. Das wehmütige A der
Einleitung, das rollende R, das sanfte S, die nachklingende »ii-aa-moo«-Combo am Ende.
Ich liebe dieses Wort. Ich sage es jetzt andauernd. Ich erfinde alle möglichen
Vorwände, um es zu sagen. Es treibt Sofie in den Wahnsinn. Gehen wir
rüber! Gehen wir rüber! Ständig zerre ich sie von einer
Straßenseite auf die andere, ungeachtet des wahnsinnigen Verkehrs. Ich werde
uns zwei mit diesem Wort eines Tages noch umbringen.
    Giovannis englisches Lieblingswort ist half-assed
- »schludrig«. Lucas hingegen ist surrender
- »Kapitulation«.
     
    25
     
    In Europa wird ein Machtkampf ausgetragen. Einige große
Städte konkurrieren darum, die europäische
Metropole des einundzwanzigsten Jahrhunderts zu werden. Wird es London sein?
Paris? Berlin? Zürich? Oder vielleicht Brüssel? Alle versuchen, einander
kulturell, architektonisch oder politisch auszustechen. Rom allerdings, das muss
wirklich einmal gesagt werden, beteiligt sich gar nicht erst an diesem
Prestige-Gerangel. Rom konkurriert nicht. Das ist unter seiner Würde. Rom
sieht dem Treiben nur zu, ungerührt und mit einer Miene, als wolle es sagen: Hey -
macht ihr doch, was ihr wollt, ich bin und bleibe Rom. Das
immense Selbstvertrauen dieser Stadt, die sich - so trutzig und monumental -
ihres Platzes in der Geschichte sicher ist, beeindruckt mich. Wenn ich einmal
sehr alt bin, wäre ich gerne wie Rom.
    Heute unternehme ich eine sechsstündige Wanderung durch
die Stadt. Das ist leicht zu schaffen, vor allem, wenn man häufig pausiert, um
sich mit Espresso und Gebäck zu stärken. Ich beginne vor meiner Haustür,
schlendere dann durch das Shoppingviertel in meiner unmittelbaren Nachbarschaft.
(Wenngleich ich nicht von Nachbarschaft im traditionellen
Sinne sprechen würde. Denn wenn das meine Nachbarschaft ist, sind meine
Nachbarn all diese stinknormalen Durchschnittsbürger, die da heißen: Valentino,
Gucci, Armani.) Ein Nobelviertel war es schon immer. Rubens, Stendhal, Balzac,
Liszt, Wagner, Thackeray, Byron, Keats - alle haben sie hier gelebt. Ich wohne
in einer Gegend, die früher das »Englische Ghetto« hieß und wo sich all die
vornehmen Aristokraten auf ihrer Grand Tour durch Europa ausruhten. Ein
Londoner Touring-Club nannte sich tatsächlich The
Society of Dilettanti. Welch herrliche Schamlosigkeit doch darin liegt...
    Ich spaziere hinüber zur Piazza del Popolo mit ihrem
großartigen Torbogen, den Bernini zu Ehren der Königin Christine von Schweden
schuf. (Diese Monarchin war eine echte »Neutronenbombe« der Geschichte,
behauptet meine schwedische Freundin Sofie. »Sie konnte reiten, sie konnte
jagen, sie war eine Gelehrte, sie trat zum katholischen Glauben über und
verursachte dadurch einen Riesenskandal. Manche behaupten, sie sei ein Mann
gewesen, vermutlich war sie lesbisch. Sie trug Hosen, ging auf archäologische
Ausgrabungen, sammelte Kunst und weigerte sich, einen Erben zu hinterlassen.«)
Neben dem Bogen steht eine Kirche, in der man zwei Caravaggio-Gemälde
besichtigen kann, Darstellungen des Martyriums des heiligen Petrus und der
Bekehrung des heiligen Paulus (den die göttliche Gnade so überwältigt hat, dass
er verzückt zu Boden gestürzt ist; nicht mal sein Pferd kann es fassen). Diese
Caravaggios machen mich immer ganz weinerlich und gerührt, aber ich heitere
mich dann jedes Mal wieder auf durch einen Abstecher zur anderen Kirchenseite,
wo ich das Fresko des glücklichsten und lustigsten Jesuskinds von ganz Rom bewundere.
    Ich setze meine ziellose Wanderung fort und passiere den Palazzo
Borghese, ein Gebäude, das vielen berühmten Menschen als Domizil gedient hat,
unter anderem der berühmten Pauline, Napoleons skandalöser Schwester, die sich
hier zahllose Liebhaber hielt. Sie benutzte auch gern ihre Zofen als
Fußschemel. (Man hofft, dass man diesen Satz im Companion
Guide to Rome falsch gelesen hat, aber nein - genau so steht es
da. Pauline gefiel es auch - so erfahren wir -, sich von »einem riesigen Neger«
ins Bad

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