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Gilde der Jäger 01 - Engelskuss

Gilde der Jäger 01 - Engelskuss

Titel: Gilde der Jäger 01 - Engelskuss Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: N. Singh
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schon tot gewesen. »Keine Bissspuren. Vielleicht hat er aber auch das Blut aus den Wunden gesaugt.« Oder den Eingeweiden.
    »Das Blut mit den Reißzähnen zu trinken gehört aber zum Vergnügen dazu.«
    »Dann hat er auf keinen Fall getrunken.« Nur gequält.
    »Ein Blutgeborener würde sich aber nicht beherrschen können, er muss einfach trinken.«
    Plötzlich ergaben die einzelnen Puzzleteile ein Bild. »Dann hat er das hier zuerst getan und die Toten im Lagerhaus erst danach misshandelt.« Die Klimaanlage hatte die Körper vor der Verwesung bewahrt, aber jetzt, da sie genauer hinsah, erkannte sie Anzeichen dafür, dass die Mädchen schon vor einem, wahrscheinlich zwei Tagen gestorben waren– die Farbe des getrockneten Blutes an der Wand, die fehlende Leichenstarre, und da Blut immer den Gesetzen der Schwerkraft folgte, waren die Mädchenkörper mit Hämatomen übersät.
    Alle Jäger mussten einen Einführungskurs in Pathologie belegen– oft waren sie nach einer Vampirattacke die Ersten am Tatort. Als sie jetzt auf die Haut mit den Blutergüssen drückte, konnte sie keine Veränderung in der Verfärbung feststellen– die Haut wurde nicht zuerst bleich, um sich dann wieder mit Blut zu füllen. Livor mortis. »Diese Mädchen haben ihm nur zum Üben gedient.«
    »Trotzdem hat dich deine Spurensuche jetzt hierhergeführt.«
    30
    Sie wippte auf den Fersen und starrte auf den einzelnen Blutfleck, der aufgrund der zeitlichen Abläufe nicht ins Bild passen wollte– den Fleck auf dem Teppich. Er war einfach zu frisch. »Du hast recht. Das Schwein ist zurückgekommen, um sein Werk zu bewundern.«
    »Ich lasse Wachen aufstellen.« Raphael erhob sich, seine Finger waren voller Blut, die Kleidung besudelt. Das ließ sie an ihre letzte Begegnung denken, als er in der blutigen Faust ein vor Angst rasendes Herz hielt.
    Auf einmal kam ihr das gar nicht mehr so schrecklich vor. Nicht nach diesem Anblick hier. Uram hatte mit seinen Opfern gespielt– so wie eine Katze, die die Maus gar nicht fressen, sondern lediglich quälen will. Dem Erzengel von New York konnte man vieles nachsagen– unbarmherzig zu sein, gefühllos, bestimmt auch todbringend–, aber er folterte nicht um des Folterns willen. Alles, was Raphael tat, diente einem Zweck. Selbst wenn er nur darin bestand, den Leuten solche Angst einzujagen, dass sie ihn niemals mehr hintergehen würden.
    Sie folgte ihm auf dem Weg in die Küche, wo er sich die Hände waschen wollte, und sagte: »Ich glaube nicht, dass er zurückkommen wird– nach den Morden im Lagerhaus war er noch einmal hier, vielleicht, um sich an den Toten zu weiden, vielleicht, um sich auszuruhen, aber sieh dir das an.« Sie zeigte auf eine Schüssel, die unter den Tisch gerollt war. »Er hat sie sicher wütend von sich geschleudert, als er merken musste, dass ihm das Blut, das er sich aufgehoben hatte, nicht befriedigte.«
    »Das hier war seine Vorratskammer, aber er hat festgestellt, dass ihm lebende Wesen lieber sind.«
    »Ja, er wird Frischfleisch haben wollen.« Die Worte klangen kalt und unbeteiligt, aber sie musste auf dieser Ebene bleiben. Wenn sie erst einmal anfing, Gefühle zuzulassen…
    Raphael nickte. »Glaubst du, er wird heute Nacht noch einmal zuschlagen?«
    »Selbst wenn er sich in einem Dauerblutrausch befindet«– ein albtraumhafter Gedanke, über den sie gar nicht erst nachdenken wollte–, »halte ich es für extrem unwahrscheinlich, vor allem, wenn man bedenkt, wie sehr er sich im Lagerhaus vollgetrunken hat.«
    In diesem Moment prasselte draußen der Regen auf die Erde, als hätte jemand einen großen Hahn aufgedreht.
    »Mist!« Mit einem Sprung war sie an der Tür. »So ein verdammter Mist!«
    Seelenruhig wartete Raphael ihren Ausbruch ab, dann fragte er sie: »Ich dachte, Uram sei geflogen?«
    »Alle Spuren, die mich hierhergeführt haben, sind jetzt weg! Aus der gesamten Stadt sind sie gelöscht.« In einem Anfall von Verzweiflung schrie sie auf. »Regen ist das Einzige, was eine Fährte wirklich gründlich versauen kann– wenn ein Vampir intelligent ist, dann zieht er sich so schnell wie möglich dahin zurück, wo es am meisten regnet.« Am liebsten hätte sie diesen Regengott umgebracht. »Scheiße! Das tut richtig weh!«
    Mit einem Nicken Richtung Tür sagte er: »Kümmere dich darum.«
    Sie musste sich gar nicht erst umdrehen, um zu wissen, dass Dmitri gekommen war. Wie ein verdammter Mantel hüllte sie sein Geruch ein. »Stell es ab, Vampir, oder ich treib dir dein

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