Gilde der Jäger 01 - Engelskuss
Ironie. »Schenkt man den Gerüchten Glauben, dann will man deinen Kopf auf einem goldenen Tablett… im wörtlichen Sinne, nebenbei bemerkt…«
»Schön, dann sind ja alle Missverständnisse beseitigt.«
»… aber die Jagd ist noch nicht eröffnet.«
Diese Schlampe Michaela spielte mit ihr. »Danke, dass du mich gewarnt hast.«
»Was, zum Teufel, wirst du tun? Abtauchen oder einen Erzengel töten?«
»Dein Vertrauen rührt mich.«
Prusten. »Scheiße, nein. Ich weiß, dass du mich in deinem Testament bedacht hast.«
»Im Moment bin ich lebend zu wertvoll.«
»Und was ist danach?«
Die Autotür wurde von außen geöffnet, Flügel füllten sie aus. »Dann werde ich meine Möglichkeiten überdenken. Bis bald.« Sie legte auf, bevor er noch irgendetwas sagen konnte, und schaute in Augen, so blau, dass ihr die Knie weich wurden. »Michaela trachtet mir ernsthaft nach dem Leben.«
In Raphaels Gesicht zeigte sich keine Regung. »Niemand vergreift sich an meinem Spielzeug.«
Eigentlich hätte sie das aufbringen müssen, aber sie lächelte bloß. »Mir wird ganz schwindelig vor Glück.«
»Mit wem hast du eben gesprochen?«
»Eifersüchtig?«
Mit nassen Fingern hob er ihr Kinn hoch, sein Griff war unnachgiebig. »Und ich teile mein Spielzeug auch nicht.«
»Sieh dich vor«, murmelte sie und schwang ihre Beine auf die nasse Straße hinaus. »Ich könnte mich sonst noch ärgern. Ich habe eine Frage.«
Schweigen.
»Waren sie noch Jungfrauen?«
»Wie kommst du darauf?«
»Das Böse ist leicht zu durchschauen.« Eine Lüge. Denn manchmal war das Böse ein hinterlistiger Dieb, der einem das Liebste nahm und nur noch die Schatten an der Wand zurückließ.
Ein vager Schatten, der beinahe sanft hin-und herpendelte. Wie auf einer Schaukel.
Raphael fuhr ihr mit dem Daumen über die Unterlippe. »Ich sehe schon wieder Albträume in deinen Augen.«
»Und in deinen sehe ich Sex.«
Er richtete sich auf und zog sie kraftvoll aus dem Wagen. Hinter ihm glänzten seine ausgestellten Flügel im Regen. Sein sinnlicher Mund hatte etwas Hartes, einen leicht grausamen Zug.
Elena lehnte sich vor und legte ihre Arme um seinen Hals, überließ sich ganz seiner reinen Macht. Heute würde sie alle Regeln brechen. Mit einem Vampir zu schlafen, das war doch nichts, sie nahm sich doch nur die Spitze der Hierarchie vor. Zur Hölle mit allen Bedenken. »Wie machen es Erzengel denn eigentlich?«
In diesem Moment wurden sie gerade von einer Böe erwischt, die Elenas Worte mit sich forttrug. Aber Raphael hatte sie trotzdem verstanden. Er beugte sich so weit vor zu ihr, dass sich ihre Lippen berührten. »Ich habe noch nicht Ja gesagt.«
Verständnislos blickte sie ihn an. Als er von ihr abrückte, wurde sie regelrecht sauer. »Tust du jetzt so, als wärst du schwer zu haben?«
Er drehte sich um. »Komm aus dem Regen, Elena. Du darfst nicht krank werden.«
Leise verfluchte sie ihn, warf die Tür zu– das Innere des Wagens war schon völlig durchnässt– und stapfte zum Haus, Raphael folgte ihr ruhig. Aber nicht friedlich. Nein, er war etwa so friedlich wie ein Jaguar. Vorübergehend hielt er seine tödlichen Kräfte im Zaum. Als sie das Haus erreicht hatten, blickte sie immer noch finster drein.
Der Butler hielt ihnen die Tür auf. »Das Bad ist gerichtet, Sir.« Flüchtig sah er sie an, eine Spur von Neugierde. »Mylady.«
Mit einem Blick entließ Raphael Jeeves, der daraufhin unsichtbar wurde. »Das Badezimmer ist im ersten Stock.«
Sie stieg die Treppe hinauf, wobei sie mehr aufstampfte als auftrat. Bis zur äußersten Erregung hatte er sie immer gereizt, aber heute, da sie eine Entspannung bitter nötig hatte, hielt er sie hin. Er wollte nur mit ihr spielen. Na schön, wenn er es so haben wollte, würde sie sich eben auf die Arbeit konzentrieren.
»Hat sich der Verdacht bestätigt– hat er mit den Mädchen geschlafen?«
»Ja, aber nur mit denen in der Villa. Die Opfer im Lagerhaus waren in dieser Hinsicht unberührt– deshalb glauben wir auch, dass die anderen auch noch jungfräulich waren.« Er stieg direkt hinter ihr die Stufen hoch, war ihr so nahe, dass sie seinen Atem im Nacken spürte, als sie oben ankamen. »Den Flur entlang, dritte Tür links.«
»Besten Dank«, sagte sie ironisch, dabei fiel ihr auf, dass außer dem Geländer zu ihrer Rechten alles offen war– das Innere des Hauses glich einem großen freien Platz.
»Spielt es denn eine Rolle, ob Geschlechtsverkehr stattgefunden hat?«
»Eventuell. Aber
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