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Gilde der Jäger 01 - Engelskuss

Gilde der Jäger 01 - Engelskuss

Titel: Gilde der Jäger 01 - Engelskuss Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: N. Singh
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eigenes Bein durchs Herz, so wahr mir Gott helfe.«
    »Ich habe überhaupt nichts getan, Elena.«
    Sie warf ihm einen schnellen Blick zu, sah die Anspannung in seinem Gesicht und wusste sofort, dass er die Wahrheit sagte. »Verdammt. Ich stehe total unter Strom, zu viel Adrenalin, ich mache es nicht mehr lange.« Vor einem Zusammenbruch intensivierten sich ihre Fähigkeiten immer. »Da kann ich mich genauso gut geschlagen geben und eine Mütze voll Schlaf nehmen.« In den letzten beiden Nächten hatte sie nicht mehr als ein oder zwei Stunden Schlaf bekommen, der verfluchte Stuhl, an den sie gefesselt worden war, war so unbequem gewesen. »Im Moment kann ich ja auch nichts ausrichten, erst wenn Uram den nächsten Schritt tut.«
    Wenn er wieder mordete.
    »Behältst du Michaela im Auge?«, fragte sie Raphael. »Durch sie haben wir die besten Chancen, ihn zu fassen.«
    »Sie ist ein Erzengel«, erinnerte er sie. »Wenn ich ihre eigenen Leute mit meinen aufstocke, dann sage ich ihr im Prinzip, dass ich sie für schwach halte.«
    »Sie lehnt deine Hilfe also ab?« Elena schüttelte den Kopf. »Dann kann ich nur hoffen, dass sie gute Männer hat und du gute Späher.« Stocksauer über die Arroganz von Engeln, den Regen und das ganze bescheuerte Universum marschierte sie ohne einen weiteren Blick hinaus. Am Tor begegnete ihr Schlangengift. Die Nässe stand ihm gut. »Ich brauche einen Wagen.«
    Zu ihrer Überraschung ließ er einen Bund Autoschlüssel in ihre Hand fallen und deutete auf die gegenüberliegende Straßenseite, wo die Limousine stand, die sie Gott weiß wo in der zweiten Reihe hatte stehen lassen. »Danke.«
    »Keine Ursache.«
    Der Vampir spielte mit ihr, aber sie konnte sich jetzt nicht aufraffen, sich dagegen zu wehren. Sie drängte sich am Tor an ihm vorbei und ging auf den Wagen zu.
    Geh zu mir nach Hause, Elena. Ich werde dort auf dich warten.
    Sie öffnete die Wagentür und stieg ein, dabei wischte sie sich den Regen vom Gesicht, spürte die kühle Frische auf ihrer Zunge. Aber nein, das war Raphael. Sie war ihm eine Antwort schuldig. »Weißt du was, Erzengel. Ich glaube, es ist Zeit, auf dein Angebot zurückzukommen.«
    Und welches Angebot meinst du damit?
    »Na das, mich bis zur Besinnungslosigkeit zu vögeln.« Sie wollte alles vergessen– das Blut, den Tod, die Schatten des Bösen an den Wänden des harmlos wirkenden Stadthauses.
    Ein anständiger Mensch würde deine momentane Gefühlslage nicht ausnutzen.
    »Wie gut, dass du kein Mensch bist.«
    Ja.
    In diesem einzigen Wort steckte so viel Erotik, dass sie ihre Schenkel zusammenpresste. Sie steckte den Schlüssel ins Zündschloss, drehte ihn um und fuhr los. Der Duft von Regen und Meer verflüchtigte sich. Raphael war losgeflogen. Aber sie konnte ihn immer noch auf der Zunge schmecken, als verströme er einen Wirkstoff, der ihre Sinne statt auf Vampire auf Engel reagieren ließ.
    Nicht dass es ihr etwas ausgemacht hätte.
    Die aufgeknüpften Leichen, die Schatten an der Wand…
    Nein, Schatten gab es keine. Heute nicht.
    Krampfhaft hielt sie das Steuerrad umklammert, als sie an der roten Ampel hielt, Regen und Erinnerungen verschleierten ihre Sicht. »Steck es weg«, gab sie sich selbst Anweisung. »Denk nicht daran.«
    Doch zu spät. In ihrem Kopf nahm ein einzelner Schatten Gestalt an, wurde furchterregender und sanft von dem Luftzug hin und her bewegt, der durchs offene Fenster hereinkam.
    Frische Luft hatte ihre Mutter immer geliebt.
    Irgendjemand hupte, die Ampel war auf Grün umgesprungen. Insgeheim war sie dem Fahrer dankbar, dass er sie aufgerüttelt hatte. Mit jeder Faser ihres Körpers konzentrierte sie sich nun auf das Fahren. Eigentlich hätte der Regen ein Verkehrschaos auslösen müssen, aber die Straßen waren wie leer gefegt. Als seien die Menschen von der sich zusammenbrauenden Dunkelheit wie von einer üblen Macht verschluckt worden, um auf die Erde, in den Tod geschickt zu werden.
    Und mit einem Mal stand sie wieder vor der imposanten Einfahrt des großen Hauses, des Hauses, das Jeffrey danach gekauft hatte… Danach. Ein riesiges Haus für nur vier Leute. Über ihr war das Zwischengeschoss mit der hübschen weißen Balustrade aus Schmiedeeisen, nicht aus Holz. Ein elegantes perfektes Heim, eines Mannes würdig, der Bürgermeister werden wollte.
    »Mom, ich bin wieder da.«
    Stille. Absolute Stille.
    Angst schnürte ihr die Kehle zu, brannte in ihren Augen, sie schmeckte Blut.
    Sie hatte sich auf die Zunge gebissen. Vor Angst.

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