Gilde der Jäger 01 - Engelskuss
des Vertrages, aber zum Schein spielte Elena mit. »Sie erschufen sich also Ihre Sklaven selbst?«
»Ach nein, das wäre zu ermüdend gewesen. Sie wurden eingetauscht. Jetzt haben Sie sicher Mitleid.« Er lachte, und wieder klang es angenehm. »Sie haben darum gebettelt, in unsere Betten zu gelangen. Im Harem sind regelrechte Kämpfe ausgebrochen, wenn eine der anderen vorgezogen wurde.«
Wahrscheinlich sagte er die Wahrheit. »Also waren alle glücklich.«
»Man hatte natürlich seine Lieblinge…«
Sie hörte ihm nur mit halbem Ohr zu, denn sie versuchte mit aller Macht herauszufinden, wo sie sich befanden. Dieses schlagende, peitschende Geräusch war verebbt, aber jetzt hörte sie etwas anderes. Autos. In der Nähe einer Straße und von Wasser. Rein äußerlich betrachtet wirkte Urams Flügel zwar unversehrt, aber so, wie er ihn über den Boden schleifte, war er wohl noch nicht ganz wiederhergestellt. Also konnten sie sich nicht sehr weit von der Stelle entfernt haben, an der er Illium angegriffen hatte. Hoffentlich ging es dem blau geflügelten Engel gut, so, wie er auf das Wasser geprallt war, hätte es einen Menschen in Stücke zerrissen.
Ganz sicher bin ich nicht, aber ich glaube, wir sind am Ufer des Hudson, ganz in der Nähe von Illiums Absturz. Sie schickte Raphael diesen Gedanken und hoffte inbrünstig, dass er Uram irgendwie davon abhalten konnte, in ihren Kopf einzudringen. Ein Zimmer mit verdunkelten Fenstern. Dieser Gestank! Es ist widerlich hier. Schau dich nach einem verlassenen Gebäude, Bootshaus oder Lagerraum um– anderswo hätten die Nachbarn schon längst die Polizei verständigt.
Es sei denn, die Toten waren die Nachbarn. Aber in diesem Fall hätte bestimmt jemand zumindest für eine dieser Personen eine Vermisstenanzeige aufgegeben. Weil sie sich so auf diese Gedanken konzentrierte, machte sie den Fehler, ihren Blick abschweifen zu lassen. Ein kräftiger Druck auf ihren Knöchel, und auf einmal war von ihr nichts mehr übrig außer Schmerz, alle Sinneszellen feuerten gleichzeitig. Diesmal konnte sie gegen die nahende Dunkelheit nichts mehr ausrichten, konnte sich nicht mehr in dieser Welt halten.
Wenn du stirbst, Gildenjägerin, verwandle ich dich in eine Vampirin.
Sie krümmte sich vor Abscheu und kämpfte, kämpfte mit allen Mitteln. Ich will kein Blut trinken. Und wenn ich tot bin, kannst du mich nicht mehr erschaffen. Als würde sie durch Sirup schwimmen, so fühlte sich ihr Zustand an, doch endlich tauchte sie auf, kam wieder zu Bewusstsein… um sich gleich darauf vorzubeugen und den Inhalt ihres Magens in einem Schwall auf den Boden zu entleeren. Als sie sich den Mund abwischte und sehr langsam wieder hochkam, war Uram immer noch nicht von ihrer Seite gewichen.
»Du hast mir nicht richtig zugehört«, sagte er in ganz vernünftigem Ton.
Aus den Augenwinkeln nahm sie etwas wahr. »Tut mir leid. Ich habe Schmerzen.« Ich sehe Putz. Die Wände sind noch nicht fertig. Halte nach Neubauten Ausschau. Und dieser Haufen– das waren ihre Waffen! Fast zum Greifen nahe.
»Ich hoffe sehr, dass Raphael bald kommt.« Enttäuscht runzelte er die Stirn. »Denn lange machen Sie es nicht mehr.«
»Sind Sie denn sicher, dass er kommt?«
»Oh ja. Und die Sklavinnen– er hat sich immer mit uns geprügelt, wenn auch nur eine von ihnen, die er für sich beanspruchte, einen blauen Fleck abbekam.« Uram fand das ganz offensichtlich amüsant. »Können Sie sich das vorstellen? Sie haben ihm wirklich am Herzen gelegen.«
Die Trennungslinie zu einem Ungeheuer verlief auf einmal schärfer, als Elena jemals gedacht hatte. Raphael war auf der einen Seite geblieben, während Uram sich auf der anderen befand. »Das ist schon so lange her«, erwiderte sie. »Er hat sich verändert.«
Als wollte er nachdenken, hielt Uram inne. »Ja. Vielleicht kommt er doch nicht. Vielleicht lasse ich Sie hier zurück.« Nun kam Leben in ihn. »Vielleicht binde ich Sie mit Bobby zusammen, lasse ihn trinken. Was sagst du dazu, Bobby?«, rief er.
Das verwelkte Ding auf der anderen Seite schien etwas zu flüstern. Elena konnte es nicht verstehen, doch Uram hatte es offenbar gehört. Er lachte so heftig, dass er fast das Gleichgewicht verlor. »Ich bin entzückt, dass du deinen Humor nicht eingebüßt hast«, sagte er glucksend. »Schon aus diesem Grund sollte ich deinen Wunsch erfüllen. Ich leg dich der Sterblichen an die Brust, dann kannst du wie ein Säugling nuckeln.«
Diese abscheuerregende Vorstellung erfüllte
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