Gilde der Jäger 01 - Engelskuss
stellt uns bloß vor noch mehr Rätsel.«
Er hatte die Sache mal wieder auf den Punkt gebracht. Nach außen hin wirkte er ruhig. Doch sie spürte die mühsame Beherrschung hinter seinen knappen Worten. Ihr Mann wählte seine Freunde mit Bedacht– und Ellie gehörte zu ihnen. Sie berührte ihn leicht am Oberschenkel, als er ihr den Arm um die Schultern legte. »Es heißt, dass der Erzengelturm selbst für andere Engel tabu ist.«
Ransom fuhr sich mit der Hand durch das offene, lange Haar, mit dem Elena ihn immer so gerne aufgezogen hatte. Jetzt fiel es ihm strähnig und unordentlich auf die Schultern. »Ich glaube, du hast recht. Raphael ist tot, und jetzt suchen sie verzweifelt nach Ersatz.«
Von ihrem Schreibtisch aus blickte Sara auf eine Stadt, die zur Hälfte noch im Dunkeln lag. Viele der Kraftwerke und Leitungen waren in dem Kampf zwischen den beiden Erzengeln zerstört worden, und es würde Monate dauern, bis alles wieder funktionierte. »Aber warum rücken sie Ellie nicht raus?« Sara war das unbegreiflich. »Sie ist eine Sterbliche. Sie gehört ihnen doch nicht.« Mit allem, was ihr zur Verfügung stand, würde sie sich für ihre Freundin einsetzen.
Ransom sah sie herausfordernd an. »Bist du in Form?«
Sofort wusste sie, was er im Sinn hatte. »Gut genug, um mich in diesen verdammten Turm hineinzuwagen.«
»Ihr geht verkabelt rein«, sagte Deacon und bewies ihr dabei wieder einmal, dass sie den richtigen Mann geheiratet hatte. »Alle beide. Ich halte mich mit einem Rettungskommando bereit. Wer ist zur Zeit im Haus?«
Blitzschnell überlegte Sara. »Kenji ist im Gewölbe. Und Rose auch. Sie haben sich nur kurz hingelegt, also sind sie ohne Weiteres einsatzfähig.«
»Lass sie rufen. Ich besorge die Ausrüstung.«
Eine Stunde später kauerte sie neben Ransom in dem streng bewachten Park rund um den Erzengelturm. Niemand war seit jener Nacht, in der die ganze Stadt dunkel wurde, so nah an ihn herangekommen, denn auch die ganze Umgebung wurde streng kontrolliert. Sara hatte jedoch eine Möglichkeit entdeckt einzudringen, gab Ransom ein Zeichen und setzte sich in Bewegung. Wenige Sekunden später befanden sie sich in der unbeleuchteten Eingangshalle.
»Ich habe Sie schon vor Tagen erwartet«, ertönte eine sanfte Stimme vom anderen Ende der Halle her. Mit einem Mal war die Lobby von weichem Licht erfüllt, als habe jemand einen Schalter umgelegt.
Sara erkannte die Stimme sofort. »Dmitri.«
Ein kurzes Nicken. »Zu Ihren Diensten.« Sein Blick glitt zu Ransom. »Ransom, nehme ich an.«
»Den Mist kannst du dir sparen.« Ransom hob die Armbrust, die mit Saras momentaner Lieblingswaffe, einem sehr illegalen Bolzen mit Kontrollchip, ausgestattet war.
»Das würde ich nicht tun«, sagte Dmitri gleichmütig. »In null Komma nichts hätten euch meine Männer überwältigt, und ich wäre sehr viel schlechter gelaunt.«
Beschwichtigend legte Sara Ransom die Hand auf den Arm und sah Dmitri fest in die Augen. »Mit Ihnen haben wir keinen Strauß auszufechten – wir wollen nur wissen, wie es Ellie geht.«
Der Vampir straffte die Schultern. »Folgen Sie mir. Lassen Sie die Armbrust ruhig liegen. Sie haben hier nichts zu befürchten.«
Vielleicht war es schiere Dummheit, aber sie beschlossen, dem Vampir zu vertrauen. Dmitri stieg in den Fahrstuhl. Sie folgten ihm, und Sara fiel ein, dass Ellies Geist sie wohl für immer verfolgen würde, wenn sie ihr Leben aufs Spiel setzte und Zoe um ihre Mutter und Deacon um seine Frau bringen würde. Aber Ellie gehörte doch zu ihnen. Entschlossen schob sie das Kinn vor und betrat ebenfalls den Fahrstuhl.
Das Kabel– eigentlich war es ein Hightech-Sender, der in ihrem Ohr saß und noch von zusätzlichen Sendern an Armbanduhr und Halsausschnitt verstärkt wurde– vibrierte beinahe unmerklich. Gerade genug, um sicher zu sein, dass sie mit Deacon verbunden war und er sie hören konnte. Er stand ihr zur Seite. Langsam legte sich ihre Anspannung.
Später hast du immer noch Zeit, sauer zu sein, Ellie. Nachdem wir wissen, dass es dir gut geht. Wir mögen dich und müssen uns um dich kümmern.
Während sie an den vielen Stockwerken vorbeischossen, sagte Dmitri kein Wort; dann stieg er in einer Etage aus, deren Wände in einem matten Schwarz schimmerten. Immer noch schweigend geleitete er sie in ein kleines Zimmer und schloss die Tür hinter sich. Abgesehen von den glitzernden Lichtern der Stadt dort draußen war nur tiefe Dunkelheit um sie. Selbst mit halber Kraft strahlte
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