Gilde der Jäger 01 - Engelskuss
Raphael Ihre Ermordung nur zu gerne selbst durchführen wird.« Er hob die Hand und sprach in eine Art Funkgerät, das er am Handgelenk trug. »Tretet ein.«
Auf einmal kamen zwei große männliche Engel durch das Loch, das einst ihr Fenster gewesen war, mit einer Tragbahre zwischen sich. Das Entsetzen in ihren Gesichtern, als sie Raphael erblickten, machte Elena deutlich, dass die Situation noch viel ernster war, als sie gedacht hatte. Ihr schnürte sich der Magen zu, doch die Engel fanden schnell ihre Fassung wieder und folgten Dmitris Anweisungen, Raphael zum Turm zu fliegen.
Einer der Engel, ein Rotschopf, stockte. »Wäre es nicht besser, ihn gleich nach Hause zu fliegen?«
»Die Heiler und Ärzte werden jeden Moment im Turm eintreffen«, antwortete Dmitri.
Nickend ergriff der Engel das Kopfteil der Bahre, während sein Partner das Fußende übernahm. »Dann sehen wir uns dort.«
Elena kannte sich nicht so recht mit den Machtverhältnissen unter den Anwesenden aus. Weltweit galt die Hierarchie: Erzengel, Engel, Vampir, Mensch, und zwar genau in dieser Reihenfolge. Doch ganz offensichtlich war jetzt Dmitri der Boss hier– und anders als der Botenjunge, der ihr die Sendung überbracht hatte, waren diese Engel hier alt und mächtig.
Jetzt, da Raphael fortgebracht worden war, wandte Dmitri seine Aufmerksamkeit ihr zu. Als er auf sie zukam, verfluchte sie innerlich diese bescheuerte Chipbürokratie. Ohne diese Waffen war sie hilflos wie ein Kind.
Und Dmitri sah sie an, als würde er sie mit bloßen Händen in tausend Stücke reißen wollen.
Er näherte sich ihr bis auf wenige Zentimeter, ergriff mit seinen blutbesudelten Händen ihr Kinn, seine Augen waren schwarz mit einem flammenden Herz.
Sie rang nach Atem. »Ihre Augen…« Wo die Pupillen eigentlich hätten sein sollen, war ein immer größer werdender Dornenkranz mit messerscharfen Zacken. »Was, zum Teufel, ist mit Ihren Augen los?«
Sein Griff wurde fester. Er beugte sich noch näher zu ihr vor. Sie erstarrte. Wenn er ihr Blut wollte, dann würde sie sich nicht einfach still verhalten– ihre Instinkte würden die Kontrolle übernehmen, und sie würde sich ihrer Waffen bedienen. Das könnte sie gar nicht verhindern. Doch wieder einmal überraschte Dmitri sie. Statt ihres Halses berührten seine Lippen ihr Ohr. »Ich werde dabei sein, wenn er dich vernichtet. Und zum Nachtisch lecke ich dein Blut auf.«
Angst– primitiv und brutal– breitete sich in ihren Eingeweiden aus, doch sie schaute ihn mit gespielter Gleichmütigkeit an. »Was macht Ihr Hals?«
Seine Finger drückten kräftig genug zu, um Spuren zu hinterlassen. »Zu meiner Zeit kannten die Frauen ihre Stellung noch.«
Sie fragte nicht nach, darauf fiel sie nicht herein.
Doch Dmitri brauchte ihre Hilfe gar nicht. »Flach auf dem Rücken mit gespreizten Beinen.«
Elena kniff die Augen zusammen. »Raphael hat seine Finger-weg-Parole nicht zurückgenommen. An Ihrer Stelle wäre ich vorsichtig.«
Sein Lachen schnitt ihr wie ein Rasiermesser ins Fleisch. Seine Finger legten sich um ihre Wange, liebkosten sie, und er kam jetzt noch näher, sodass sie von Vampirmuskeln eingekesselt war. Doch es war bloß Dmitri, den sie wirklich sah– seine tödliche Wut, seine Augen… seinen Duft. Wie der herrlichste Mantel aus Fell, Diamanten und Sex legte er sich um sie. »Ich hoffe, er lässt Sie noch sehr, sehr lange am Leben.« Mit der Zunge leckte er über ihre pochende Halsschlagader. »Und lädt mich zum Mitspielen ein.«
19
Eine Stunde später zerrte Elena an den Fesseln, mit denen ihre Arme an den Stuhl gebunden waren, auf dem sie saß. Mit dem einzigen Ergebnis, dass sich der Strick um ihre Knöchel nur noch fester zuzog. Gefesselt wie Vieh, das zur Schlachtbank getrieben wurde! Ihre Arme waren verdreht und hinter der Lehne zusammengebunden; dann war das Seil sorgfältig um ihre Knöchel geschlungen und wieder zurück zu den Handgelenken geführt worden. Um dem Ganzen den letzten Schliff zu geben, war der Strick noch einmal um ihre Taille gelegt und schließlich im Rücken verknotet worden. Sie war nach allen Regeln der Kunst an einen Stuhl gefesselt, der viel zu schwer war, als dass sie ihn hätte umwerfen können.
»Ich rieche Blut, Elena«, sagte Dmitri schleppend, als er zurückkam. »Versuchen Sie zu flirten?«
Wütend starrte sie ihn an und dachte daran, wie er es genossen hatte, ihr die Waffen abzuknöpfen. Dabei hatte er sich in keiner Weise grob verhalten. Nein, er war die
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