Gilde der Jäger 01 - Engelskuss
Raphael fragen– natürlich nur, wenn Sie dann Ihre Zunge noch haben.« Er stand auf und verschwand erneut, diesmal kehrte er mit einer Flasche Wasser zurück.
Nachdem sie getrunken hatte, ohne dass etwas danebengelaufen war, sah sie ihn an. Immer noch düster und sexy, immer noch nur eine Haaresbreite davon entfernt, ihr an die Kehle zu gehen. »Danke.«
Er antwortete, indem er ihr den Finger an die Halsschlagader legte. »So stark, satt und lieblich kräftigend. Ich freue mich schon auf mein eigenes Abendessen– zu schade, dass Sie es nicht sind.«
Damit verließ er sie.
Angestrengt blickte Elena zur Tür, während sie sich in ihrem Stuhl zu winden begann, fest entschlossen, die Fesseln loszuwerden. Im Moment nahm Dmitri sie noch vor den anderen in Schutz, die Frage war nur, wie lange.
Die Stricke waren von einem wahren Meister geknotet worden, das stellte sie vor ein ziemliches Problem.
Doch mit jemandem, der die Kunst beherrscht, wird jeder Schmerz zur Lust.
Bondage, das passte ja wie die Faust aufs Auge. Wahrscheinlich fesselte Dmitri seine Frauen gerne in allerlei interessanten Stellungen. Sie errötete. Sie wollte ihn gar nicht– jedenfalls dann nicht, wenn er seinen verdammten Geruch nicht als Köder auswarf. Aber sobald er seine Künste einsetzte, schmolz sie dahin.
Und zwar gegen ihren Willen, was ihr gar nicht behagte.
Nicht einmal bei einem Erzengel.
Bei dem Gedanken an die Ereignisse in seinem Büro hielt sie unbewusst den Atem an. Doch nun, da sie auf ihn geschossen hatte, kam sie besser damit zurecht. So, als seien sie jetzt quitt. Natürlich würde er die Sache in einem völlig anderen Licht sehen. Er hatte ja bloß versucht, sie ins Bett zu bekommen– und so gern sie sich auch vom Gegenteil überzeugen wollte, sie hatte die Verführung genossen… zumindest bis zur Gedankenkontrolle. Dafür hatte sie ihn möglicherweise zum Krüppel gemacht.
Mein Gott, sie hatte ihm den halben Flügel weggeschossen.
Ihre Augen brannten, und sie merkte, dass sie gleich weinen würde. Schnell blinzelte sie die Tränen weg, vertrieb die unerwünschten Gefühle. Eine Jägerin weinte nicht. Nicht einmal um einen Erzengel. Aber– wenn er nun nicht wieder gesund würde?
Schuldgefühle schnürten ihr den Hals zu, legten sich immer enger um ihn, wurden mit jeder Sekunde, die verstrich, unerträglicher. Sie musste zu ihm, musste mit eigenen Augen sehen, wie es ihm ging. »Hoffnungslos«, murmelte sie; wäre sie an Dmitris Stelle gewesen, hätte sie genauso gehandelt und den potenziellen Feind isoliert.
Als ihre Handgelenke wundgescheuert waren und die Wadenmuskeln schmerzten, gab sie ihre Entfesselungskünste schließlich auf und sank erschöpft auf ihrem Stuhl zusammen. Zwar würde sie nicht schlafen können, doch sie konnte sich so weit ausruhen, dass, wenn Raphael erwachte, sie für den Showdown bereit wäre. Doch gerade als sie anfing, sich langsam zu beruhigen, fiel ihr das riesige Loch in ihrer Wohnung ein. »Dmitri!«
Eine Minute später tauchte er auf, und nach seinem Gesichtsausdruck zu schließen, war er keineswegs erfreut.
»Sie haben gerufen, Mylady?« Hätte er die Worte noch ein klein wenig schärfer herausgebracht, wäre wohl Blut geflossen.
Blut.
Wollte sie sich eigentlich umbringen? »Ich habe Ihr… Abendessen unterbrochen. Tut mir leid.«
Er lächelte und ließ dabei nichts von seinen Reißzähnen sehen, auch wenn sie wusste, dass sie dort waren. »Bieten Sie sich als Wiedergutmachung an?«
»Ich wollte wegen meiner Wohnung fragen– die Wand, haben Sie das Loch verschlossen?«
»Warum sollten wir?« Er zuckte mit den Schultern und wandte sich zum Gehen ab. »Ist doch nur eine Menschenwohnung.«
»Sie verdammter…«
Blitzschnell drehte er sich zu ihr um, sein Gesicht ausdruckslos, tödlich, unheimlich. »Ich bin hungrig, Elena. Bringen Sie mich nicht dazu, mein Versprechen Raphael gegenüber zu brechen.«
»Das würden Sie niemals tun.«
»Doch, wenn Sie mich weiter drängen. Man wird mich bestrafen, aber Sie bleiben trotzdem tot.« Dann war er auf einmal verschwunden.
Ließ sie allein zurück mit ihrem rasenden Herzen, das sich anfühlte, als wäre eine Lanze hindurchgestoßen worden. Ihr Zuhause, ihre Zuflucht, ihr Nest wurde in diesem Augenblick von Wind, Staub und, sollte der Himmel seine Pforten öffnen, auch noch von Regen zerstört. Am liebsten hätte sie sich zusammengerollt und sich die Augen ausgeweint.
Über die einzelnen Dinge in ihrer Wohnung machte sie sich
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