Gilde der Jäger 01 - Engelskuss
loszuwerden, »dass Uram niemals unter der Erstarrung des Blutrausches gestanden hat, denn sonst wären die Herzen nicht mehr warm gewesen.«
»Das ist sehr… ungewöhnlich«, sagte Raphael. »Es hätte ihn zumindest ein wenig aufhalten müssen.«
»Aber selbst der bestialischste Vampir richtet nicht jede Nacht ein Blutbad an«, begann Elena. »Er wird eine Ruhepause einlegen. Seine Blutgier ist gestillt– er hat sich vollgesogen mit Lebenskraft, mit…«
»Du vergisst dabei, dass er kein gewöhnlicher Vampir ist.« Raphael baute sich vor Elena auf. »Er wird nicht aufhören. Im Moment scheint er nachts und am frühen Morgen zu jagen, es bleiben uns also die Stunden am Tag, um uns neu zu organisieren. Wenn seine Veränderung so schnell vor sich geht, wie du vermutest, wird er bald auch tagsüber jagen.«
Entsetzt riss Elena die Augen auf. »Willst du damit sagen, er ist immer im Blutrausch?«
»Ja.«
»Oh mein Gott.« Damit wäre Uram ein Monstrum jenseits aller Vorstellungskraft.
Ein Stuhl wurde zurückgeschoben, trotz des Teppichs klang es scharf.
Elena blickte auf und sah, dass Michaela sich erhoben hatte.
»Ich kann nicht einfach so dasitzen und zuhören, wie ihr über Uram redet. Sie können sich nicht vorstellen, wie das ist, jemanden zu verlieren, den man seit einem halben Jahrtausend kennt.« Ihr Blick traf Elena, und in diesem Moment glaubte sie Michaela.
»Nein«, sagte sie. »Es tut mir leid.«
Michaela machte eine wegwerfende Handbewegung. »Ich brauche kein Mitleid von einem Menschen. Raphael, ich wünsche mit dir zu sprechen.«
»Ich werde dich hinausgeleiten.«
Beim Hinausgehen berührten sich zufällig ihre Flügel, und Elena verspürte eine Welle der Eifersucht in sich aufsteigen, und bevor sie es überhaupt bemerkte, hatte sie ihre Hand schon an der Waffe. Erst als sie mit ihrer warmen Haut das kalte Metall berührte, kam sie wieder zu sich. Mit aller Kraft rang sie um Beherrschung, dann nahm sie sich eines der belegten Brote und biss herzhaft hinein.
Als Raphael wieder zurückkam, war sie nicht mehr am Verhungern, sonst hätte sie ihm bestimmt mit der Gabel die Augen ausgestochen, als sie den bronzenen Engelsstaub an seinem Flügel bemerkte. »Ist das wie bei einer Katze, die ihr Revier markiert?«
Raphael folgte ihrem Blick und spreizte den Flügel. »Michaela ist es nicht gewohnt, abgewiesen zu werden.« Er nahm eine Stoffserviette vom Tisch und kam auf sie zu. »Wisch es weg.«
In ihr kämpfte der Wunsch, sich seinen Befehlen zu widersetzen, mit dem Wunsch, den Staub von diesem Miststück wegzuwischen. Die alberne Besitzgier gewann. »Dreh dich um.«
In würdevollem Schweigen tat er, wie ihm geheißen. Sie stand auf und befeuchtete die Serviette, bevor sie seinen Flügel berührte. Dabei achtete sie genau darauf, nicht selbst etwas von dem klebrigen Zeug abzubekommen, aber ihre Vorsicht war unnötig. »Es geht ganz leicht ab. Nicht so wie der Staub, mit dem du mich bedacht hast.« Selbst jetzt noch fing sich das Licht in den Flecken auf ihrer Haut, die Michaela mit Sicherheit nicht entgangen waren.
»Ich habe dir ja gesagt– es war eine besondere Mischung.«
Eine angenehme Wärme durchlief ihren Körper. »Drückst du mir dein Zeichen auf, Himmelsknabe?«
»Am liebsten mit meinem Schwanz.«
Plötzlich wurde es ganz heiß und feucht zwischen ihren Schenkeln, erschrocken ließ sie die Serviette zurück auf den Tisch fallen. »Alles weg.«
Er spannte die Flügel, dann drehte er sich zu ihr um. »Du bist mir wirklich ein Rätsel. So unerschrocken bei der Vampirjagd und so prüde beim Sex.«
»Ich bin nicht unerschrocken. Ich mache mir vor Angst in die Hose«, sagte sie. »Und was das andere angeht– rätselhaft zu sein ist doch gut, oder? Schließlich spielst du doch nur mit deinem Spielzeug, solange es dich unterhält.« Wie es passiert war, wusste sie nicht, aber auf einmal hatte sie den Tisch im Rücken, und Raphael stand direkt vor ihr.
Als er sie auf den Tisch hob, widersetzte sie sich nicht. Sie spreizte selbst die Beine, um ihm Platz zu machen. Immer noch saß ihr die Kälte in der Seele. Was sie heute im Lagerhaus gesehen hatte, hatte zu viel Verdrängtes an die Oberfläche gespült. Dieses Geräusch, dieses Tropfen, hämmerte unaufhörlich in ihrem Kopf. Sie wollte alles vergessen. Und Raphael– der gefährlich verführerische und tödliche Raphael– eignete sich dafür besser als jede Droge. »Kein Staub«, murmelte sie, während seine Hände ihre Schenkel
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