Gilde der Jäger: Engelsblut (German Edition)
abgeben wird .« Ihr Blick schwenkte zu Lijuan. »Das hatten wir von dir erwartet .«
Lijuan,derenKörpernichtsorealwirktewiesonst,geruhtenichtzuantworten,sondernwandteihreAufmerksamkeitRaphaelzu.»Duhättestsieumbringensollen « ,murmeltesie.IhreHautspanntesichsodünnüberihreKnochen,dasserfastdasWeißdesKnochengerüstsdurchschimmernsehenkonnte.»Jetztisteszuspät .«
Raphael erinnerte sich an die Entscheidung, zu der sie ihn gedrängt hatte, als er Elena begegnet war, überlegte sich, was geschehen wäre, wenn er auf sie gehört hätte. »Du bist nicht mehr der stärkste Erzengel der Welt. Das scheint dein Urteilsvermögen beeinträchtigt zu haben .«
In ihren unheimlichen Augen schwamm ein glänzendes Schwarz. »Ich habe dich immer gemocht, Raphael .« Zärtlich streichelnde Worte an seiner Wange, doch sie machte keine Anstalten, die Hand zu heben.
Er ignorierte die stumme Einladung und sah Astaad an. »Du hast noch nichts gesagt .«
»Was gibt es zu sagen ?« Astaad hob in einer anmutigen Geste die Hände, an seinen Fingern blitzten Ringe aus feinstem Gold. »Caliane scheint bisher nichts weiter zu wollen als das, was sie bereits hat .«
»Sind wir da sicher ?« In Nehas Worten klang ein Zischen mit. »Es hat seltsame Berichte von deinem Hof gegeben, Astaad .«
Raphael, der den Blick auf Astaad gerichtet hatte, sah in den Augen des Mannes für einen kurzen Moment Wut aufflammen, bevor er träge lächelte. »Es gibt immer Berichte. Sei vorsichtig mit deinen Annahmen .«
Lijuans Schulter streifte Raphaels – und vermittelte ihm das Gefühl, als würde er von einem fleischgewordenen Trugbild berührt. »Glaubst du, er wird Urams Weg einschlagen ?« Ihre Stimme war gedämpft, sollte nur an seine Ohren dringen.
Darüber hatte Raphael noch nicht nachgedacht. Doch wenn Astaad sich weiterhin seltsam verhielt, war Calianes Erwachen ganz gewiss nicht schuld daran. »Wenn er das tut, ist er ein Dummkopf .« Zuzulassen, dass sich das Gift im Körper ansammelte, bis der Wahnsinn um sich griff, war ein Spiel, das niemals jemand gewann. Ich habe mich dir in den Weg gestellt, sagte er zu Lijuan. Ich habe versucht, dich zu töten. Hinter seinen Worten lag eine Frage verborgen.
Du bist jung, Raphael. Du hast noch nicht gelernt, deine Schlachten selbst zu wählen.
Er fragte sich, ob Lijuan wirklich glaubte, dass er eines Tages an ihrer Seite stehen würde, ob ihr Wahnsinn schon so tief ging, schon so wahrhaft war. Doch er sagte nichts, denn dass sie ruhig blieb, war im Moment vordringlich. Caliane war zwar mächtig, doch Lijuan war noch immer eine Gewalt, die die Welt zerstören konnte. »Neha « , flüsterte er. »Was weißt du über sie ?«
»Sie hat ihren Partner in letzter Zeit öfter besucht « , murmelte Lijuan, während Charisemnon und Titus bissige Kommentare austauschten. »Vielleicht möchte sie noch ein Kind empfangen .«
»Raphael « , sagte Titus, indem er sich von dem Erzengel abwandte, mit dem er ständig aneinanderzugeraten schien. »Du und deine Leute seid die Einzigen, die ihren Schild durchdringen können und Einlass in ihre Stadt erhalten .«
»Ich werde wachsam sein « , sagte er, denn er wusste, dass die Verantwortung bei niemand anderem liegen konnte. Nach dem, was er in Amanat gelernt hatte, wusste er, dass er in sich das Potenzial trug, das zu tun, was er in seiner Jugend nicht gekonnt hatte – wenn sich Caliane wieder zu einem Monster entwickelte, würde er, ihr Sohn, derjenige sein, der sie besiegte.
Als er nach Hause zurückkehrte, wurde er von den Armen einer Frau empfangen, die ihn daran erinnerte, dass er das Leben gekostet hatte – ein Leben, wie es kein anderer Erzengel jemals kennenlernen würde – und dass ihm diese Erfahrung niemand nehmen konnte, was immer auch geschehen mochte.
»Raphael « , sagte sie, als sie auf dem höchsten Balkon des Hauses standen. »Würdest du mich begleiten ?«
»Wohin du auch immer willst .«
Ein ruckartiges Nicken. Ohne ein weiteres Wort breitete sie ihre Flügel aus Mitternacht und Morgendämmerung aus, und sie flogen hinaus Richtung Brooklyn, um in einer ruhigen Gasse zwischen Lagerräumen zu landen. Sie war bereits mit der Gildedirektorin hier gewesen, und jetzt war sie mit ihm hier. Als sie sich kennenlernten, hätte er diese Entscheidung durchaus als Beleidigung auffassen können. Jetzt verstand er, dass Elena ihre Freundschaften brauchte, wenn sie überleben und in ihrem neuen Leben, in das sie hineingeworfen worden war, aufblühen
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