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Gilde der Jäger: Engelsdunkel (German Edition)

Gilde der Jäger: Engelsdunkel (German Edition)

Titel: Gilde der Jäger: Engelsdunkel (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nalini Singh
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danach.«
    »In Ordnung.« Mit dieser zaghaften Zustimmung lehnte Mahiya den Kopf an seine Seite. »Heute Morgen habe ich Vanhi gebeten, mir Geschichten über meine Mutter zu erzählen.« Sie drückte seine Hand. »Sie hat mir vieles erzählt, unter anderem über den Palast am See, den Nivriti von allen Orten in diesem Land am liebsten mochte. Er liegt nicht sehr weit von hier entfernt. Eine Flugstunde.«
    Jason blickte auf ihr schwarzes, seidiges Haar; vor seinem geistigen Auge tauchten Bilder von einem einsamen, moosbewachsenen Haus auf, dessen Fenster und Türen klaffenden Schlünden glichen. »Verlassen.«
    »Ja. Nach der vermeintlichen Hinrichtung meiner Mutter.« Sie seufzte leise. »Der Palast war aus Marmor und lag im Krater eines Berges. Der ›See‹ wurde vom Monsunregen gespeist. Ich weiß nicht, ob der Palast noch steht …«
    »Das tut er.« Jason berichtete ihr von seinem letzten Flug über dieses Gebiet. »Ich kam bei Sonnenuntergang an, und irgendwo fing sich dort das Licht. Als ich umdrehte und in Kreisen darüber flog, sah ich nichts als den Glanz des Wassers – ich brauchte einige Zeit, bis ich das Gebäude entdeckte, das sich zur Hälfte im See verbarg.« Der mit Moos überwucherte Palast verschmolz geradezu mit dem tiefen, dunklen Grün des Sees, es war eine perfekte Tarnung.
    »Wir haben den ganzen Tag Zeit«, sagte Mahiya, deren Körper er warm an seinem spürte. »Neha hat sich zurückgezogen – ich weiß nicht, um wen sie trauert, ob um die Engel, die sie verloren hat, oder um ihre Haustiere. Vor Anbruch der Dunkelheit wird sie nicht wieder auftauchen, und sie wird nicht auf die Idee kommen, uns zu fragen, wo wir waren.«
    »Komm«, sagte er. »Wahrscheinlich brauchen wir mehrere Anläufe, um die Stelle zu finden.«
    Mahiya starrte auf das Gebäude hinunter, das im Laufe der Jahrhunderte zu einem Chamäleon geworden und selbst dann kaum zu erkennen war, wenn man direkt davorstand. Da es nicht nur von dunkelgrünem Moos in der Farbe des Sees, sondern auch von zartem Weinlaub im gleichen Ton überwuchert war, sah es aus wie ein schwimmender Haufen Grünzeug. Dieser Ort lag so abgeschieden, dass vermutlich nur wenige Engel darüberflogen, und für jene, die es doch taten, gab es keinen Anlass, sich länger dort aufzuhalten. Dass Jason ihn entdeckt hatte, zeugte von seiner Neugier.
    »Damals hatte ich keine Zeit zu landen«, sagte er. Sie beneidete ihn um die Leichtigkeit, mit der er neben ihr schwebte. »Wir können uns nicht darauf verlassen, dass er hält.«
    »Er wird nicht einstürzen«, sagte sie. »Er wurde erbaut, um dem Wasser standzuhalten und Jahrhunderte zu überdauern.« Ohne auf ihn zu warten, tauchte Mahiya in die Tiefe und flog auf etwas zu, das früher vermutlich eine große Terrasse oder ein Hof gewesen war und über das Wasser ragte. Gleich darauf jagte ein dunkler, verschwommener Fleck an ihr vorbei, und bevor sie den Boden berührte, war Jason bereits gelandet und hatte die Flügel zusammengelegt.
    Seine Augen waren tiefschwarz geworden, und in ihnen tobte der Sturm. »Das war nicht klug, Mahiya.«
    Sie starrte ihn fasziniert an. Nie zuvor hatte sie ihn wütend gesehen, und wie er seine Wut selbst jetzt unter Kontrolle hielt, ließ sie über die Tiefe seiner Selbstbeherrschung staunen. »Ich wusste, dass du schneller bist als ich«, sagte sie. »Und auch dass du mich aufgehalten hättest, wenn dir irgendein Anzeichen von Gefahr aufgefallen wäre.«
    Dunkel und wild brach der Sturm über sie herein. »Du solltest kein solch großes Vertrauen in einen feindlichen Spion haben.«
    »Habe ich auch nicht. Ich habe es in dich.« Sie streckte die Hand aus, um seinen Flügel zu berühren, und lächelte diesen Mann an, dieses Rätsel, das sie niemals würde lösen können und das ihr doch mit jedem Atemzug mehr ans Herz wuchs. »Schauen wir uns um!«
    Jason hätte sich gern behauptet und Mahiya dazu gebracht einzuräumen, dass sie unbedacht und ungeduldig gehandelt hatte. Aber er befürchtete, hauchdünnes Glas zu zerbrechen, wenn er jetzt seinen Unmut auf sie losließ. Er sah die Verwirrung hinter ihrem Übereifer und erkannte, dass sie nicht wusste, ob sie sich überhaupt wünschen sollte, dass ihre Mutter noch am Leben war. Denn wenn Nivriti noch lebte, dann hatte sie eine sadistische, gewalttätige Ader.
    »Bleib in meiner Nähe.« Er zog sein Schwert aus der Scheide.
    Mahiya hob die Hand, als wollte sie die obsidianfarbene Klinge berühren, in der ein schwarzes Feuer zu lodern

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