Gilde der Jäger: Engelsdunkel (German Edition)
Stärke in sich, die dem Überlebenswillen in ihm gefiel. Deshalb hatte er sie gelehrt, wie sie am Himmel unentdeckt bleiben konnte, und mitangesehen, wie sie ihren Körper gnadenlos bis zum Äußersten strapaziert hatte, um schon bald nach ihrer Erschaffung einen Senkrechtstart zu meistern. Und deshalb hatte er sich auch nach allem umgehört, was eine Gefahr für ihr Leben bedeuten könnte.
Denn Elena war Raphaels größte Schwäche.
Ein leises Kichern war zu hören, und ein kleines Mädchen mit verschmitztem Blick rannte Elena auf wackeligen Beinen entgegen. Ihre schwarzen Locken mit den bronzefarbenen Strähnen wurden an den Seiten von Bändern in sommerlichem Orange zusammengehalten. Mit einem Lächeln voll unverhohlener Freude bückte sich Elena, um das Kind aufzufangen und auf den Arm zu nehmen. »Hallo Zoe, du angehende Kriegergöttin.« Sie drückte einen Kuss auf Zoes rosiges Pausbäckchen, das Blumenmädchenkleid aus zuckersüßer Spitze strich über Elenas Arm. »Bist du deiner Mami entwischt?«
Jason fing den offenen Blick des Kindes auf, als dieses nickte, und sah die silberumrandete Feder in unverkennbarem Blau, die es vorsichtig in seiner Faust hielt. Die Tochter der Gildedirektorin starrte einen Augenblick lang auf seine Flügel, bevor sie Elena etwas ins Ohr flüsterte. Jason hörte jedes ihrer Worte, verstand jedoch nichts davon, weil sie in der Sprache sehr kleiner Kinder sprach.
Elena schien das nichts auszumachen, denn als sie Jason ansah, leuchtete ein Lachen in ihren silbergrauen Augen. »Der kleine Racker wünscht sich noch mehr von deinen Federn für ihre Sammlung, Jason. Ich wäre vorsichtig.« Gleich darauf wurde Elena von einem großen Mann abgelenkt, dessen langes, schwarzes Haar im Nacken ordentlich zu einem Zopf gebunden war und dessen Wangenknochen sich scharf unter seiner kupfergoldenen Haut abzeichneten.
Ransom Winterwolf.
Jäger.
Es war seltsam, so viele Mitglieder der Gilde auf Raphaels Anwesen in der Engelsenklave zu sehen, das auf der anderen Seite des Flusses, gegenüber von all dem glänzenden Glas und Metall Manhattans lag. Obwohl es zweifellos elegant war, wusste Jason, dass der Sire Dmitri viel eindrucksvollere Orte für seine Hochzeit mit Honor zur Verfügung gestellt hatte. Aber der Anführer der Sieben war unnachgiebig geblieben.
»Bei Tagesanbruch«, hatte er kaum drei Stunden vor Sonnenaufgang gesagt. »Wir heiraten bei Tagesanbruch.«
In diesen drei Stunden hatten es Elena und die Gildedirektorin geschafft, alle Jäger im Umkreis von New York zu benachrichtigen, die in Reichweite und nicht gerade im Einsatz waren, während Jason, Illium und Venom den Rest der Sieben vertraten. Naasir, Galen und Aodhan waren benachrichtigt worden, und alle drei hatten vor der Hochzeit mit Dmitri gesprochen.
Vereint in ihrer Treue zu Raphael – und zueinander – hatten die Sieben unzerstörbare Bande geknüpft, aber selbst wenn sie mehr Zeit gehabt hätten, wäre es unmöglich gewesen, sie alle zur selben Zeit am selben Ort zusammenzubringen. Um das Gleichgewicht der Mächte in der Welt aufrechtzuerhalten, musste Raphael in der Zufluchtsstätte und in New York ständig Präsenz zeigen, und jetzt zusätzlich in der verlorenen Stadt von Amanat, der Heimat von Raphaels Mutter, einer Uralten.
Dass drei von ihnen hier waren und Dmitris Hochzeit miterleben konnten, war ein unerwartetes Geschenk. Natürlich gab es weitere geladene Gäste – die stolze Belegschaft, die Raphaels Haushalt führte, einige Männer und Frauen, die im Turm direkt unter Dmitri arbeiteten und deren Loyalität ebenso sehr dem Vampir wie Raphael galt, und zwei sterbliche Polizisten, die zur Familie der Gilde gehörten. Ebenfalls ein Mitglied dieser Familie war der hoch angesehene Mann, der die Zeremonie abgehalten hatte; er hatte die Gilde geleitet, bevor er den Stab weitergereicht hatte.
Während der Zeremonie hatte Raphael persönlich an Dmitris Seite gestanden. Die Freundschaft der beiden Männer war so alt und so tief, dass der Erzengel an diesem Tag eine untergeordnete Rolle einnahm. Jason wusste nicht, ob es im Kader der Zehn, jener Gruppe von Erzengeln, die über die Welt herrschten, vergleichbare Freundschaften gab. Was er aber wusste, war, dass diese Freundschaft Jahrhunderte überdauert hatte, trotz Zorn und Krieg und sogar trotz Dmitris kurzzeitigem Überlaufen in Nehas Dienste. Das allerdings war nicht von langer Dauer gewesen, und jetzt lächelte Dmitri über etwas, das Raphael sagte.
Während
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