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Gilde der Jäger: Engelsdunkel (German Edition)

Gilde der Jäger: Engelsdunkel (German Edition)

Titel: Gilde der Jäger: Engelsdunkel (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nalini Singh
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konnte. Wie die goldene Kap-Baumnatter, die sich um den Türknauf schlang. Mahiyas Herz schlug hart gegen ihre Rippen, als das Tier seine rote Zunge hervorschnellen ließ und sie begriff, dass das, was sie für Zierwerk gehalten hatte, ein lebendes Wesen war.
    Ein giftiges lebendes Wesen.
    Denn eines von Nehas eher verborgenen Talenten war die Fähigkeit, Giftdrüsen bei ungiftigen Arten wachsen zu lassen. Diesen Knauf zu berühren hätte Mahiya einen Biss eingebracht, der sie für Stunden gelähmt und hilflos gemacht hätte.
    Es war allerdings unwahrscheinlich, dass dies die einzige Sicherheitsvorkehrung sein sollte, denn obwohl Neha ein altmodischer Engel war, verschloss sie den Blick nicht vor den Vorzügen moderner Technik. Jetzt, da Mahiya genau nachdachte, anstatt sich immer wieder nur zu vergegenwärtigen, wie schnell die Zeit, die sie hatte, verrann, wurde ihr bewusst, dass Neha die Tür, selbst wenn sie unverschlossen war, gewiss mit einem stummen Alarm ausgestattet hatte, der sie über jedes Eindringen informieren würde.
    Würde der Eindringling ein leeres Zimmer vorfinden … oder sich von Hunderten von Schlangen umzingelt sehen, die über diese Störung erzürnt waren und zischten?
    Ein leises Geräusch. Ein Flüstern.
    Reglos verharrte sie und hoffte, dass, wer auch immer hereingekommen war – ein Dienstmädchen? –, nur etwas in den vorderen Räumen zu erledigen hatte.
    »Du versuchst also«, sagte eine vertraute Stimme links neben ihrer Nische, »hinter Nehas Geheimnisse zu kommen.«
    Wie ein Blitz durchfuhr sie das Entsetzen, sie drehte sich um und sah sich Jason gegenüber. »Ich wollte etwas holen, das ich vergessen hatte«, sagte sie. Dann betrachtete sie ihre leeren Hände. »Ich habe es nicht gefunden.«
    Beinahe schwarze Augen sahen sie, ohne zu blinzeln, an. »Du kannst gut lügen, aber ich kann es noch besser erkennen.« Seine Aufmerksamkeit auf die geschlossene, von der Kap-Baumnatter bewachte Tür gerichtet, betrachtete er Mahiya einige Sekunden lang nachdenklich, ehe er sich auf dem Absatz umdrehte und sagte: »Wir müssen uns unter vier Augen unterhalten.«
    Es war keine Einladung.
    Nichts hätte Mahiya lieber getan, als sich dieser Anweisung zu widersetzen, aber wenn er Neha gegenüber die Angelegenheit erwähnte, wäre es mit ihr vorbei und alles andere egal. Ein ätzendes Gebräu aus Enttäuschung, Angst und Wut brodelte in ihren Adern, als sie ihm hinaus ins Licht folgte und gegen die Helligkeit anblinzelte … um zu sehen, dass er nicht mehr neben ihr stand.
    »Es ist nicht nötig, dass Neha erfährt, dass ich dort war«, sagte er einige Minuten später, als er sich in einem öffentlich zugänglichen Bereich wieder zu ihr gesellt hatte.
    »Wie bist du dort hineingekommen?« Noch während sie sprach, fiel ihr wieder ein, dass die Wachen ihn alle einfach nicht sahen.
    Seine einzige Antwort war ein Blick auf ihre Flügel und die Frage: »Schaffst du noch einen Senkrechtstart?«
    »Ja.« Sie war langsam, nicht schwach. »Wohin fliegen wir?«
    »Folge mir.« Er stieg in die Luft und hielt seine Position, bis sie ihn eingeholt hatte. Dann rauschte er über die Stadt hinweg und immer weiter, bis sie über Dörfer flogen, in denen spielende Kinder herumrannten und ihnen zuwinkten. Stapel blauer Töpferwaren warteten darauf, verziert zu werden, während schläfrige Rinder auf dem spärlichen Grün der Weiden dösten. Der Fluss, der diese Weiden bewässerte, war beinahe ganz zwischen den hohen Grashalmen verborgen.
    Das wird mir fehlen.
    Bei diesem Gedanken schmerzte ihr das Herz vor Kummer. Dieses Land der Wüsten, der Farben und der verborgenen Oasen war alles, was sie kannte. Sie konnte sich nicht vorstellen, an einem Ort ohne das sanfte Auf und Ab der Sanddünen zu leben, an dem der Anblick von Kamelen mit ihrem schaukelnden Gang nicht ebenso selbstverständlich war wie der von majestätischen Elefanten. Unter den Gesetzen, die Neha vor langer Zeit erlassen hatte, wurden Tiere mit Liebe und Fürsorge behandelt, und viele von ihnen streiften frei durch das Land, das man ihnen überlassen hatte – wie die Kamele, die ihre Köpfe zum Grasen gesenkt hatten.
    Eine einsame Hirtin mit langem Rock und einer hüftlangen Tunika in sonnenhellem Gelb sah auf und winkte ihnen zu. Mahiya winkte zurück, wieder einmal erstaunt über Nehas viele Facetten, die manchmal extrem gegensätzlich waren. Als Königin konnte sie grausam sein, aber ihr Volk liebte sie auch um ihrer Großzügigkeit und

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