Gilde der Jäger: Engelsdunkel (German Edition)
Zugeständnis an Eris’ Tod.
Niemand hätte vermuten können, dass am kommenden Morgen sein Scheiterhaufen brennen würde.
Aber trotz all der bunten Schmetterlinge, die an Champagnergläsern nippten und sich mit eleganten Gesten unterhielten, während sie ihre fein gesponnenen Spiele um Macht und Rang spielten, konnte er Mahiya ohne Schwierigkeiten ausfindig machen. In einem blaugrünen, mit einer schmalen Goldkante verzierten Seidensari bewegte sie sich mit der Leichtigkeit von jemandem durch die Menge, der sich auf vertrautem Terrain befindet.
Genau in diesem Augenblick blieb sie stehen und drehte den Kopf in seine Richtung, ihr Blick war so intensiv, dass er glaubte, selbst auf diese Entfernung das leuchtende Goldbraun ihrer Augen sehen zu können. Sie konnte ihn unmöglich bemerkt haben, und doch war er sicher, dass es so war. Als sie sich wieder bewegte, tat sie es mit einer leichten Anspannung in den Schultern. Sie war ihm ein Rätsel, diese Mahiya mit den Manieren der höfischen Elite und den Instinkten einer Jägerin.
Er wandte den Blick ab, um ihn über die Menge gleiten zu lassen und sich zu vergewissern, dass Neha bei Eris’ Leiche geblieben war. Jason hatte sich bestätigen lassen, dass sie Eris’ Familie die Teilnahme an der Verbrennungszeremonie gestattet hatte, sonst jedoch niemandem. Einige munkelten, Neha sei selbst nach dem Tod ihres Gemahls noch eifersüchtig, Jason jedoch glaubte, dass der Erzengel zu tief trauerte, um den Schmerz mit anderen teilen zu können.
Als er seine Aufmerksamkeit wieder Mahiya zuwandte, sah er, dass sie sich von der Gruppe löste. Noch einmal musterte er die verbleibenden Gäste, bevor er sich zu dem Palast begab, den er zusammen mit Mahiya bewohnte; dort sah er einen Hauch von blaugrüner Seide durch die Tür huschen.
Er folgte ihr hinein, verschloss die Eingangstür und ging nach oben, wo er sie auf ihrem gemeinsamen Balkon vorfand. Sie hielt den Blick auf den Innenhof gerichtet, der nur von vier schwachen Laternen erhellt wurde. Sie erschrak nicht, als er sich neben sie stellte. Nur eine breite, flache Stufe trennte seinen Balkonbereich von ihrem, und wo auf seiner Seite Säulen standen, die das Dach trugen und den Rand des Balkons für leichteres Abfliegen freiließen, gab es bei ihr ein Geländer, an dem sie sich nun festhielt.
»Sie hieß Audrey.« Ruhig gesprochene Worte; von ihrem früheren Zorn war nichts mehr zu merken. »Eine große, kurvenreiche, blonde Vampirin. Sie hat zwei Jahrhunderte lang zu Nehas Gesellschaft gehört, es aber nie in den inneren Kreis des Hofes geschafft.«
»Wie lang ist es her, seit sie verschwunden ist?«
»Es war am Tag von Eris’ Ermordung, aber niemand hat eine Verbindung zwischen den beiden Ereignissen hergestellt. Wer Audreys Abwesenheit bemerkte, hielt es für einen schlichten Zufall. Niemand hat sich darum bemüht, sie zu erreichen – sie war nicht allzu beliebt und pflegte bestenfalls oberflächliche Freundschaften.« Die Hände um das Geländer geklammert, starrte Mahiya hinaus in die Nacht. »Glaubst du, dass sie Eris umgebracht hat?«
Sieh mich an, Prinzessin. »Das ist eine mögliche Schlussfolgerung.«
Ihre Finger schlossen sich fester um das Geländer. »Bin ich wichtig?« In dieser Frage lagen so viele Facetten, von denen er nur die offensichtlichste erfassen konnte. »Im großen Rahmen deiner Existenz, spielt mein Leben da irgendeine Rolle?«
Ein Mann wie er war es gewöhnt, Geheimnisse zu bewahren, aber er wusste, dass er auf diese Frage antworten musste. Denn sonst riskierte er, etwas zu verlieren, von dem er gar nicht gewusst hatte, dass er danach suchte. »Ja. Du bist wichtig.«
Ein Zittern ließ Mahiyas Körper erbeben … und endlich wandte sie ihre hellen Augen in seine Richtung. »Dann wirst du dich an unsere Abmachung halten?«
»Ja.« Abmachung oder nicht, Jason hatte nicht die Absicht, sie Nehas Gnaden auszuliefern. Aber er würde ihr keine Versprechen machen, solange er nicht sicher war, dass sie nicht gebrochen würden.
Als er an die Kante des Balkons trat und davonfliegen wollte, sagte Mahiya: »Sie ist nicht in ihren Gemächern. Das habe ich überprüft.«
Jason war es nicht gewöhnt, sich anderen gegenüber zu erklären. Selbst Raphael ließ ihm freie Hand. Aber in Mahiyas Äußerung lag ein zerbrechlicher Stolz, der ihm verriet, dass diese Frau mit ihrem Überlebenswillen an ihre Grenzen gegangen war. »Gut.« Er wandte sich um und sah ihr in die Augen, um ihr zu zeigen, dass er sie
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