Gilde der Jäger: Engelsdunkel (German Edition)
niemals … aber Sie haben gefragt. Und ich wollte nur … ach vergessen Sie, dass ich überhaupt etwas gesagt habe.«
»Ich weiß Ihr Vertrauen zu schätzen. Vielen Dank.«
»Selbstverständlich.« Sie schaffte es nicht ganz, die hochmütige Selbstzufriedenheit aus ihrer Stimme herauszuhalten. »Ich hoffe, ich konnte Ihnen helfen.«
»Ja, sehr.« Jason entschuldigte sich und schwang sich in die Luft. Er brauchte nicht lange, um die übrigen Hofdamen aufzuspüren. Sie entfernten sich nicht gern zu weit von ihrer Wohnstätte, weil sie fürchteten, eine andere könnte ihren Platz einnehmen oder in den Genuss eines Gefallens kommen, der ihnen selbst verwehrt blieb.
Bis auf Tanuja, Shabnams Freundin mit den Spatzenflügeln, versuchten alle, das Opfer schlechtzumachen. Eine deutete sogar an, sie habe Eris verführt. Tanuja aber war fest davon überzeugt, dass Shabnam eine treue Liebhaberin und keine Spionin gewesen war.
»Sie war eine sehr nette Person«, schluchzte Tanuja, deren bronzene Haut vor Trauer fleckig war. »Zu nett für diese Schlangengrube. Dass sie so hoch in Nehas Gunst stand, führte nur dazu, dass die anderen noch hässlicher zu ihr waren. Sie hat darüber immer nur gelacht und gesagt, sie seien eifersüchtige Hexen, aber jetzt ist sie tot.« Ein finsterer Blick aus rot umrandeten Augen. »Lisbeth macht sich vielleicht nicht gern die Hände schmutzig, aber sie stammt aus einer Familie, die Blut nicht scheut.«
Als Jason auf dem Balkon vor seiner Suite landete, hatte der Himmel das satte Grau eines lauen Abends angenommen. Anstatt in sein Zimmer zu gehen, klopfte er an Mahiyas Tür. Sie öffnete den linken Türflügel ein kleines Stück, doch sobald sie ihn sah, entspannte sich ihre skeptische Miene. »Oh, du bist es!« Das Lächeln erreichte ihre Augen und ließ sie goldbraun erstrahlen, als sie die Tür ganz öffnete.
In diesem Moment spürte Jason, wie ihn etwas mit voller Wucht traf, eine vage, doch machtvolle Erkenntnis. Er versuchte, sie zu fassen zu bekommen, um sie zu erkunden, aber sie glitt ihm wie Rauch durch die Finger – und hinterließ dabei eine Spur. »Weshalb warst du besorgt?«, fragte er in dem Gefühl, auf eine unwiederbringliche Weise gezeichnet worden zu sein.
»Ich …« Mahiya schüttelte den Kopf »Komm erst rein. Das Essen ist so weit.«
Als sie sich umdrehte, trat er ein und schloss die Türen hinter sich. Sie erschrak nicht. Das Licht aus dem winzigen Kristallleuchter über ihr verfing sich in den Silberverzierungen auf ihrer figurbetonten hellrosa Tunika und den Aufschlägen ihrer weißen Haremshose. Das Kämmchen in ihrem säuberlich zusammengefassten Haar bestand aus aufwendig gearbeitetem Silber mit eingefassten Diamanten, und der hauchdünne, weiße Schal, den sie von vorn über ihre Schultern geworfen hatte, war an den Enden mit ebenso glitzernden Fransen verziert. »Du bist sehr festlich gekleidet.«
Anmutig nahm sie auf dem flachen Kissen vor dem niedrigen Tisch Platz, die Flügel in einer Pracht aus Smaragdgrün und Pfauenblau mit tiefschwarzen Tupfen hinter sich ausgebreitet, und griff nach dem Wasserkrug. »Du wirst dich ebenfalls umziehen müssen. Neha hat uns zu einem offiziellen Dinner geladen. Aber wir haben genug Zeit, um vorher zu essen und zu trinken.«
Als er seinen Platz ihr gegenüber einnahm, fielen ihm die Farbe auf ihren Lippen und der gekonnte Einsatz von Kosmetik auf, mit dem sie ihre Wangenknochen betont hatte, während ihre Augen zurückgenommen wurden. Auch das, dachte er, war eine raffinierte Maske. »Das Essen beim Dinner wird wohl nicht genießbar sein?«
»Das Essen wird ganz im Gegenteil ausgezeichnet sein, aber die Gespräche werden mir den Magen zuschnüren. Und du wirst zu beschäftigt damit sein, alle zu beobachten und ihnen zuzuhören, um mehr als einen oder zwei Bissen zu essen.«
Er überlegte, ob das merkwürdige Gefühl in seiner Brust vielleicht Erheiterung sein konnte. Illium löste manchmal eine solche Reaktion bei ihm aus, aber diesmal war es irgendwie sanfter, zarter. »Wenn das so ist, danke ich dir für diese Aufmerksamkeit.«
Sie warf ihm einen scharfen Blick aus verengten Augen zu. »Sei vorsichtig, sonst bekommst du nichts mehr von mir zu essen.«
»Das wäre wirklich eine schlimme Strafe.« Und das stimmte, dieses zarte Ritual des Nachhausekommens war für ihn auf eine Art wichtig geworden, die sie nicht begreifen würde. »Kann ich etwas Wasser bekommen?«, sagte er, während er geistesabwesend registrierte,
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